Was macht der Marketingmanager einer jungen Landeshauptstadt, wenn sein dichter Bürojob einfach nie fertig wird? Er kauft sich ein Pferd. Und arbeitet fortan mit diesem im Wald und im Weingarten.

Matthias Weiländer (42) aus St. Pölten in Niederösterreich ist einer der – ganz wenigen - Pioniere, wenn es um den Einsatz von Arbeitspferden im Weingarten geht. Dort, wo die Terrassen steiler und steiler, die Reihen der Rebstöcke immer enger werden. Oder die Zufahrt mit dem Traktor schlicht nicht mehr möglich ist.

Die schonende Bodenbearbeitung ist ein Gebot der Stunde, nicht nur im Weingarten, aber da besonders. Längst haben sich weitsichtige Winzer dieses Themas bemächtigt, kleine und große Produzenten; alles andere als verschrobene Eigenbrötler oder Weltverbesserer in Herrgottsschlapfen.

Das Pferd im Weingarten und in der Landwirtschaft im Allgemeinen hat eine lange Geschichte, auch wenn diese Gefahr lief, in Vergessenheit zu geraten. Matthias Weiländer, Absolvent der Marketing-Fachhochschule in St. Pölten und DI (FH) kam zwar über Umwege aufs Pferd, aber doch nicht ganz. Die Großeltern hatten einen Bauernhof, ein Freund der Familie war Tierarzt, den Weiländer als Elfjähriger oft begleiten durfte. Die Liebe zur Natur und zu den Tieren hat er im Blut.

Diese Liebe vergeht auch nicht, wenn man einen ganz anderen Berufsweg eingeschlagen hat. Und schon in jungen Jahren steile Karriere macht, es zum Chef der Marketing St. Pölten GmbH in der 60.000-Einwohner-Landesmetropole bringt. Irgendwann war es für den Manager Zeit, einen Ausgleich zum dichten Büroalltag zu finden. Erste Station war das Westernreiten, dann das Kutschenfahren. „Der Kutschenkurs war aufwendiger als der Führerschein“, erinnert sich Matthias Weiländer.

„Noriker sind die Männerversion vom Pferd“

Für die Kutsche hat er sich einen Noriker gekauft; ein großes, schweres Arbeitspferd. Mika Vulcan heißt der Wallach und wird demnächst 13 Jahre alt. Einen zweiten Noriker gibt es im heimatlichen Stall in Pyhra bei St. Pölten längst. Kaltblüter nennt man die in der Fachsprache, dabei sind Pferde dieser Rasse trotz ihres Gewichts von bis zu 800 Kilogramm exrem leichtfüßig, geschickt, wendig, geduldig und trittsicher. „Sie sind sozusagen die Männerversion von einem Pferd“, lacht Weiländer, „mit denen kannst du auch zum Heurigen reiten.“

Über das Holzrücken im Wald – das Ziehen der Stämme aus extremen, unwegsamen Lagen – kamen Matthias Weiländer und sein Mika zur Arbeit im Weingarten. Umsichtige Winzer, vor allem jene, die sich den „Abteilungen“ Bio, Biodynamik und Demeter zugehörig fühlen, wissen längst um die Bedeutung der Bodenbearbeitung im Weingarten.

Im Boden liegt der Schlüssel für nachhaltige Bewirtschaftung der Rebflächen. Ist der Boden locker, durchlässig und begrünt, speichert dieser Wasser und wird zum multivitalen Lebensraum, vom Regenwurm bis zu Milliarden von Mikroorganismen pro Quadratmeter. Diese wiederum produzieren auf natürlichem Weg Nährstoffe für die Reben und bauen Schadstoffe in Windeseile ab.

Funktioneren kann diese Symbiose nur, wenn der Boden eben locker, nicht durch schwere Maschinen verdichtet ist. Dann kann er nämlich hart werden wie Beton, zu dicht zum Atmen, zu dicht zum Leben.

Im Boden liegt der Schlüssel

Nur ein gesunder Boden trägt einen gesunden Weingarten. Für gesunde Rebstücke und ebensolches Traubenmaterial. Das schlägt sich unmittelbar nieder in der Qualität von Trauben und Wein. Weil in diesem Kreislauf giftige Pflanzenschutzmittel (Pestizide) und Unkrautvernichter – nicht nur das unselige Glyphosat, weit verbreitet in der Marke „Round Up“ – obsolet oder auf ein Minimum reduziert werden, entwickeln sich im Weingarten auch oberirdisch wieder Lebensräume für Nützlinge aller Art, die dann den Schädlingen auf den Rebstöcken ganz natürlich zu Leibe rücken.

Nachhaltigkeit nennt sich dieser Kreislauf und strapaziert damit ein Wort, das sich ebenso dominant wie lebenswichtig, ebenso ausgelutscht wie missbraucht im allgemeinen Sprachgebrauch festgekrallt hat.

Initiiert durch den österreichischen Demeter-Winzer Michael Gindl gab es vor zwei, drei Jahren einen Erfahrungsaustausch mit dem erfahrenen Demeter- und „Pferde-Winzer“ Henry Finzi-Constantine aus dem Piemont in Italien, Fuhrleuten der Interessensgemeinschaft Pferdekraft (ÖIPK) und an der Sache interessierten Winzern.

Arbeitsgeräte von anno dazumal wurden aufgetrieben, teils restauriert und mit viel Herzblut und Geduld in Weingärten ausprobiert. Pferdeführer und Pferde lernten step by step die Arbeitsschritte. Es ist eine mühevolle, mitunter schwere und sehr genaue Arbeit. Schließlich muss hautnah an den empfindlichen Rebstöcken gearbeitet werden.

Matthias Weiländer und sein Mika arbeiten mit Pflugscharen verschiedener „Kaliber“, können grubbern und anhäufen, sogar stockräumen. Michael Gindl arbeitet derweil schon am Einsatz schwererer Geräte, etwa Scheibeneggen, um auch mit Zweispännern arbeiten zu können. Selbst das Ausbringen von (bio-logischen) Spritzmitteln mit Pferden ist denkbar.

Einer der Winzer, die gerne aufs Pferd setzen, ist Alwin Jurtschitsch aus Langenlois im Kamptal. Er hat besonders steile, schwer zu bearbeitende Lagen in einer der Parade-Rieslingrieden des Landes, dem Heiligenstein. Sonderlagen mit sehr schmal gesetzten kurzen Zeilen von Rebstöcken mit nur einem Meter Abstand, Terrassenlagen mit steilen Wegen dazwischen. Auch Winzerkollege Davis Weszeli möchte die Vorteile der Arbeitspferde im Weingarten nicht mehr missen.

Im Kremstal lassen Christoph und Harald Hoch aus Hollenburg gerne von Mika und Matthias arbeiten, bevorzugt im Bienenweingarten beim bekannten Wetterkreuz. Auch Demeter-Pionier Niki Saahs setzt in der steilen Lage Steiner Hund gerne aufs Pferd. In Gols im Burgenland wiederum ist Claus Preisinger ein Partner des Pferdeflüsterers aus St. Pölten. Und im Gut Oggau der Familie Tscheppe-Eselböck stehen die Winzer gerade mit einem jungen Noriker am Start. Für diesen ist Mika eine Art „Fahrschulpferd“.

Heu und Hafer statt Diesel

Abseits von Pferdeliebe und Naturromantik ergibt das auch wirtschaftlich Sinn: „Mit passendem Gerät und durchdachtem Arbeitsablauf kann mit dem Pferd eine passable Flächenleistung erbracht werden“, scheut Matthias Weiländer keinen Vergleich mit Maschinen. In Zeiten der Klimadebatte ein unschlagbares Argument. Heu und Hafer statt Diesel, wertvoller Mist statt Schmiermittel. Und das Pferd findet im begrünten Weingarten auch gleich seine zünftige Jause in Form von Gras, Klee, Kräutern.

„Die Arbeit mit dem Pferd ist mein Beitrag zum nachhaltigen Umgang mit der Umwelt“, macht sich Weiländer keine Illusionen:“Verdienen lässt sich damit wenig; nur wenn ich sehr fleißig bin, spiele ich die Kosten wieder rein.“

Weil Matthias Weiländer seine Erfahrung gerne weitergibt, bildet er auch fremde Pferde aus. Nachwuchs-Winzerin Mariana Moser etwa vom Weingut Sepp Moser in Rohrendorf bei Krems hat nicht nur ihre Abschlussarbeit an der FH dem tierischen Einsatz im Weingarten gewidmet, sondern sich gleich den jungen Noriker Stoani gekauft. Den bildete Weiländer eine Zeitlang für die Arbeit im Weingarten aus.        

Zugpferde, Matthias Weiländer                                                   
A-3143 Pyhra, Erlenweg 5                  
T +43 676/3523348                                                                 
matthias@zugpferde.at                                                    

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