Mit der nahenden Weinernte stehen die Winzer nach dem Corona-Lockdown vor der nächsten Herausforderung. Am freien Traubenmarkt werden Preise weit unter 50 Cent pro Kilogramm Trauben geboten. Eine Katastrophe für die Winzer.

Und das speziell von Handelsbetrieben, die zum größten Teil an den Lebensmitteleinzelhandel liefern. Der Lebensmitteleinzelhandel ist jedoch ausgerechnet jener Sektor, der als einziger durch die Beschränkungen des Lockdowns im Weinabsatz (mit einem Umsatzplus von 17 % zum Vorjahresvergleich) zugelegt hat.

„Traubenpreise von 50 Cent sind das absolute Minimum für eine kostendeckende Traubenproduktion. Es kann nicht sein, dass unter diesem Einstandspreis eingekauft wird. Schon gar nicht in der aktuellen Situation. Ich fordere einen nationalen Schulterschluss und ein Ende dieses Preis-Boykotts“, appelliert Johannes Schmuckenschlager, Präsident des Österreichischen Weinbauverbandes sowie der Landwirtschaftskammer Niederösterreich und Nationalrat, an den heimischen Handel.

Nach derzeitigem Stand wird eine gute Weinernte mit einer dem Verbrauch entsprechenden Weinmenge erwartet. Befürchtungen haben viele Winzer mit teils bereits jetzt kolportierten Traubenpreisen. Auf der einen Seite gibt es den geregelten Traubenmarkt mit Vertragsweinbau oder über das Winzergenossenschaftswesen, wo auch heuer wieder Traubenpreise von 70 Cent pro Kilogramm und auch deutlich mehr zu erwarten sind.

Auf der anderen Seite werden im Bereich des freien Traubenmarktes bereits jetzt Traubenpreise weit unter 50 Cent pro Kilogramm Trauben kolportiert. Und dies speziell von bestimmten Handelsbetrieben, die hauptsächlich an den Lebensmitteleinzelhandel liefern, und die gerade im heurigen Jahr während der Corona-Krise zu den Gewinnern beim Weinabsatz zu zählen sind.

Allgemein ist der Weinabsatz in Richtung Gastronomie während des Lockdowns komplett zusammengebrochen und erholt sich nach wie vor nur sehr zögerlich. Auch im Export gab es massive Einbrüche. Um diese Krise möglichst gut abzufedern, wurden viele Maßnahmen ergriffen. So hat zum Beispiel der Österreichische Weinbauverband mit Hilfe der Corona-Krisenverordnungen der EU und der Österreichischen Stützungsprogramme ein Paket ausgearbeitet, das vom Bundesministerium für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus umgesetzt wurde. „Entscheidend ist jetzt aber, dass alle an einem Strang ziehen. In der aktuellen Situation ist taktische Optimierung zum Vorteil einiger weniger absolut fehl am Platz“, so Schmuckenschlager.

Verträge abschließen statt Spekulation

Das Problem des freien Traubenmarktes wird jedes Jahr zu Beginn der Lese akut: Weinbaupolitiker und auch -Händler raten den Traubenproduzenten teils inständig, Traubenliefer-Kontrakte über mehrere Jahre abzuschließen, um dieser tödlichen Preisspirale zu entgehen. Viele haben das schon getan, andere nicht. Weil sie auf bessere Preise spekulieren oder weil sie keine Partner finden. Auch die Genossenschaften haben zuletzt nur noch von Mitgliedern Trauben übernommen und zudem Aufnahemsperren verhängt. Etwa 15% der Traubenproduzenten sind davon betroffen.