Rückblick und Ausblick mit WienWein-Obmann Rainer Christ über neue Sorten unter dem Wiener DAC Dach (Riesling, Grünen Veltliner, Weißburgunder, allenfalls Pinot Noir), die spezielle Problematik mit dem EU-Recht, weil Wien Bundesland und Weinbaugebiet in einem ist und bereits 40 Prozent Bio-Rebflächen in Wien.

Die WienWein-Macher (v.l.): Fritz Wieninger, Michael Edlmoser, Rainer Christ, Thomas Podsednik, Gerhard J. Lobner, Thomas Huber © Raimo Rudi Rumpler

Vinaria: Wie sind die Erfahrungen mit dem ersten Jahrzehnt des Wiener Gemischten Satzes als eigener, geschützter Appellation?

Rainer Christ: Die Entwicklung war für uns geradezu atemberaubend und kann nur als imposanter Siegeszug gewertet werden! Heute ist der Gemischte Satz unbestritten der Anker des Wiener Weinbaus, in dessen Sog auch die anderen Wiener Gewächse merkbar profitiert haben.

Vinaria: Wie groß ist mittlerweile die damit bepflanzte Rebfläche?

Rainer Christ:Die Rebfläche ist auf rund 220 Hektar angewachsen, sodass es sich beim Wiener Gemischten Satz um das mit großem Abstand wichtigste und populärste Produkt handelt. Diese Erfolgsstory hat sicher im Inland begonnen, mittlerweile ist die Welle des Gemischten Satzes aber auch in den Exportländern angekommen und wird international als interessantes und konkurrenzfähiges Konzept anerkannt. 

Vinaria: Gibt es Unterschiede in der Akzeptanz durch Privatkunden und Gastronomie sowie bei den Erfolgen im Inland und Export?

Rainer Christ:Am Anfang wurde zunächst das Interesse der Privatkunden geweckt und hat eine Nachfrage nach allen drei Kategorien der Gemischten Sätze bewirkt, mittlerweile sind jedoch speziell die Gebietsweine gut in der Gastronomie verankert, wobei die Entwicklung im Westen Österreichs schon etwas langsamer vor sich geht als im Osten. Für unsere Orts- und Riedenweine gibt es auf diesem Sektor aber sicherlich noch Luft nach oben, sie werden in erster Linie von den privaten Weinliebhabern geordert.

Vinaria: In der Vergangenheit wurden mitunter Bedenken geäußert, beim heutigen Gemischten Satz handle es sich gar nicht um einen „echten“, nach alter Sitte kunterbunt bepflanzten, sondern um einen neuartigen Mischsatz. Auch Michael Moosbrugger als Vorsitzender der Österreichischen Traditionsweingüter sprach von „artifiziellen“ Gemischten Sätzen, die er von den über Jahrhunderte gewachsenen evolutionären unterscheidet. Wie stehen Sie zu dieser kritischen Sichtweise?

Rainer Christ:Ich denke, dass dieser „Vorwurf“ mittlerweile ins Leere geht. In meinem Weingut hatte ich beispielsweise zur Zeit der Gründung unserer Vereinigung gar keinen Gemischten Satz, den ich dann vollkommen nach der Zufallsmethode ausgepflanzt habe. Diese Technik ist aber in relativ kurzer Zeit zum Standard geworden; die Weingärten werden heute tatsächlich kreuz und quer, ja bunt gemischt ausgesetzt. Dies ist auch im Sinne eines Ressourcen schonenden Weinbaus durchaus sinnvoll. Nur mehr selten wird gegenwärtig auch zeilenweise gepflanzt, was im Übrigen mitunter auch in vergangenen Epochen praktiziert wurde.

Vinaria: Nach dem Regelwerk der Österreichischen Traditionsweingüter (ÖTW) soll, ja muss eine DAC mit der Lagenklassifikation korrelieren. Nun gibt es in Wien derzeit eine DAC nur für den Gemischten Satz – wie kann man diesen Widerspruch bis zu einer allfälligen Ausweitung der DAC für Wien lösen?

 Rainer Christ:Dieser Konflikt besteht sicher grundsätzlich. Allerdings wurde für unsere Lagenweine mit dem Beitritt zu den Traditionsweingütern eine diesbezügliche Ausnahme bis zu einer allfälligen und ja durchaus bereits angedachten Erweiterung der Wiener DAC gewährt. Sowohl in unserer Gruppe WienWein als auch im Regionalen Komitee steht man einer Erweiterung der geschützten Herkunft positiv gegenüber. Der Rhythmus ist sozusagen vorgegeben, und unser Weinbaupräsident Norbert Walter gilt ja zu Recht als sehr konsensorientiert. 

Vinaria: Es ist ja fast undenkbar, einen Top-Riesling oder Premium-Weißburgunder aus so renommierten Rieden wie Preussen, Langteufel, Schenkenberg, Falkenberg oder Sätzen ohne diese Kennzeichnung vermarkten zu müssen.

Rainer Christ: In fortgeschrittener Diskussion ist die Erweiterung um Riesling, Grünen Veltliner und Weißburgunder, allenfalls auch um Pinot Noir im roten Segment. Darüber besteht weitgehend Einigkeit, auch wenn sich einzelne Partizipanten noch mehr Rebsorten wünschen würden. Wir wären mit der Entscheidungsfindung wohl schon wesentlich weiter, gäbe es nicht ein noch ungelöstes Problem mit den EU-Rechtsvorschriften.

Vinaria. Welche rechtliche Hürde ist das?

Rainer Christ: Nach den geltenden EU-Rechtsvorschriften darf eine Herkunftsbezeichnung nur einmal verwendet werden, sie darf nicht für verschiedene Produktkategorien verwendet werden.

Vinaria: Was bedeutet das im Klartext?

Rainer Christ: Wenn wir uns also auf eine Erweiterung um die zuvor erwähnten Rebsorten geeinigt hätten, dürften dann nur die daraus gekelterten DAC-Weine die Herkunftsbezeichnung Wien führen. Ein Nicht-DAC Sauvignon oder Neuburger aber nicht, obwohl er die gleiche Abstammung hat – zweifellos ein unhaltbarer Zustand, denn was soll er sonst sein als ein Wiener Wein? Für andere Gebiete stellt sich diese Problematik nicht, denn ein Kamptaler oder Kremstaler Muskateller wird dann eben mit Niederösterreich bezeichnet.

Vinaria: Das resultiert daraus, dass Wien eben nicht nur Stadt und Hauptstadt ist, sondern auch ein eigenes Bundesland, der Wiener Bürgermeister ist zugleich Landeshauptmann. Warum hat Österreich seinerzeit nicht auf diesen Sonderfall hingewiesen und auf eine entsprechende Ausnahmeregelung hingewirkt? Stammt das noch aus einer Zeit, in der von einer Wiener DAC noch keine Rede war.

Rainer Christ: Das könnte natürlich sein, jedenfalls sollte dieses Rechtsproblem mit gutem Willen lösbar sein. Ein anderer Zugang bestünde darin, quasi alle Wiener Weine zu DAC-Erzeugnissen zu erklären, aber das wäre wohl nicht im Sinne des Erfinders und schon gar nicht im Einklang mit der Sichtweise der Traditionsweingüter und würde noch stärker als etwa in der Steiermark oder Wachau in eine gegenläufige Richtung gehen. Auf alle Fälle arbeiten wir in enger Abstimmung mit dem Regionalen Komitee und den politischen Entscheidungsträgern intensiv daran, eine zufriedenstellende Lösung zu erzielen.

Vinaria: Während der Pandemiezeit hat WienWein das System der Patenschaften mit kleineren Betrieben vorgestellt. Wie ist es mit diesem Modell weitergegangen?

Rainer Christ: Dieses Modell gibt es nach wie vor, ja es wurde sogar intensiviert und erweitert, sodass heute 30 Betriebe von der Unterstützung durch WienWein profitieren. Diese kann einen ganz unterschiedlichen Umfang haben und reicht von der bloßen Beratung in weinbaulichen und kellertechnischen Agenden bis zu einem „All inclusive“-Angebot, von dem insbesondere Quereinsteiger mit anderem beruflichen Schwerpunkt gerne Gebrauch machen. 

Vinaria: Wie kann diese Hilfestellung konkret aussehen?

Rainer Christ: Das beginnt zum Beispiel beim gemeinsamen (günstigen) Einkauf von Pflanzenschutzmitteln und der Erstellung von Spritzplänen. Gegenwärtig ist die Wiener Weinbaufläche stabil, wobei noch zu berücksichtigen ist, dass in Wien die unvermeidlich auftretenden Rodungsflächen in einer durchschnittlichen Größenordnung von rund zehn Prozent im Unterschied zu anderen Weinbauregionen üblicherweise nicht mitgezählt werden, womit wir uns kleiner machen, als wir eigentlich sind.

Vinaria: Wie steht es um die biologische Bewirtschaftung?

Rainer Christ: Sehr stolz sind wir darauf, dass wir mit 40 Prozent biologisch arbeitenden Weinbaubetriebe die österreichweit höchste Bio-Quote aufweisen – eine Zahl, die auch weltweit für eine Spitzenposition sorgt. Damit aber zu einem anderen Aspekt, der uns sehr am Herzen liegt: Die dem System des Gemischten Satzes aufgrund seines Artenreichtums von vornherein innewohnenden Ressourcen schonenden Effekte wurden erst in jüngster Zeit, vielleicht aufgrund der Auswirkungen des Klimawandels, näher untersucht und sorgen nunmehr auch für internationales Interesse an dieser Anbaumethode. 

Der ihr gegebene Artenreichtum verhindert oder bremst auch auftretende Rebkrankheiten bis hin zu den gefürchteten epidemischen Verläufen. Ein weiteres Beispiel: Auch in den zuletzt so häufigen Trockenphasen profitieren Weingärten, die kunterbunt mit Reben verschiedener Provenienz und dementsprechend unterschiedlichem Wurzelsystem bestockt sind, gegenüber reinsortig ausgesetzten Weinfluren mit naturgemäß gleichartigem. Es gibt also eine ganze Reihe von bislang kaum beachteten Vorteilen, die der Siegeszug unseres Wiener Gemischten Satzes mit sich gebracht hat!

 

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