Zwei Jahre wurde getüftelt, wurden Workshops abgehalten und alle Besonderheiten des Weinbaugebiets Neusiedlersee fein säuberlich aufgelistet. Am Ende definiert sich Neusiedlersee DAC mit der Herkunftsrebsorte Zweigelt und den Süßweinen neuerdings über das „Seeroir“ als Steigerung des Terroirs.

Erfolgswinzer und Neusiedlersee DAC-Obmann Christoph Salzl © Weingut Salzl

Zuletzt konfrontierte der Verein Neusiedlersee DAC Weinexperten, Händler und Sommeliers in London mit einer Masterclass zum Thema Seeroir. Die nächste kommentierte Veranstaltung steht auf der VieVinum bevor: SEEROIR. ON THE TRACK OF AN (UN)KNOWN POWER. PURE ORIGIN FROM THE GREAT NEUSIEDLERSEE. – So der Titel der Masterclass am 25. Mai 2024 von 11.30 bis 12.45 Uhr im Rahmen der VieVinum in der Wiener Hofburg (im Burgraum). So lange noch Plätze frei sind, können sich Interessierte anmelden:  neusiedlersee-dac.wine/vievinum24

Der Hintergrund von „Seeroir“

Vier Elemente wurden in den Winzer-Workshops herausgearbeitet, die die Weinbauregion Neusiedlersee in den Augen der Produzenten einzigartig machen:

  • Wasser (der See und sein Salzgehalt)
  • Wind (kühlend, meist aus Nordwest)
  • Erde (Böden und Artenvielfalt; Biodiversität)
  • Feuer (die Leidenschaft der Winzer und ihre Philosophien, Tradition über bis zu 7 Generationen)

Diese Elemente zusammen sollen den Weinen der Region viel mehr mitgeben als nur das oft zitierte Terroir, das sich schon dem Namen nach auf die Böden fixiert. Seeroir umfasst alle Aspekte des Terroirs sowie den spezifischen Einfluss des Neusiedler Sees, sind die Winzer überzeugt.

Natürliche Abkühlung im heißen Sommer

Der Neusiedler See hat tiefgreifenden Einfluss auf die Artenvielfalt, das Terroir und die hier produzierten Weine hat. Der See erstreckt sich 34 Kilometer von Nord nach Süd und bis zu 8 Kilometer von Ost nach West. Die große Wasserfläche absorbiert Wärme und mildert die Temperatur und den Tagesverlauf, so dass es kaum zu Hitze- oder Kälteextremen kommt. Außerdem gibt es 150 Meter tiefer einen unterirdischen See, der fast genauso groß ist.

Markus Lentsch vom Seegut Lentsch in Podersdorf weiß es genau: „Der See hat einen großen Einfluss auf die Weinberge. Es kühlt die Temperaturen im Sommer ab und die Trauben bleiben länger frisch. Der Nordwestwind weht über den See und bringt uns abends frische Luft vom Wasser, wodurch die Region etwas schneller abkühlt. In der Nacht herrscht eine gleichmäßigere Temperatur, da das Wasser wärmer als die Luft bleibt. Wir haben also immer noch reife Tannine, aber der Wein ist weich und frisch.“

Neusiedlersee hat die Reben vorm Frost gerettet

Beim jüngsten Frost- und Schnee-Einbruch in Österreichs Weinbaugebieten soll der wohltuende Einfluss des Sees auf die Weinberge deutlich geworden sein: „Einige Regionen hatten Schnee, während der See unsere Weinberge rettete. Die Temperatur des Wassers betrug 18 Grad Celsius, wodurch die Temperatur in den Weinbergen nur auf 2 bis 3 Grad Celsius absanken, aber nicht auf minus 1 Grad“, ist Lentsch überzeugt.

Ein weiteres einzigartiges Merkmal des Sees ist die Salzkonzentration, ein Zwanzigstel des Salzgehalts von Meerwasser. Darüber hinaus gibt es in der Nähe mehrere kleine Salzbecken, die in der Sommersonne oft verdunsten. Christoph Salzl vom Weingut Salzl Seewinkelhof und Obmann des Regionalen Weinkomitees ergänzt: „Der Wind trägt das Salz in die nächstgelegenen Weinberge, wo es sich bei Trockenheit auf dem Boden ablagert. Deshalb herrscht in den Weinbergen in der Nähe der Teiche ein sehr starker Salzgehalt.“

Torsten Aumüller, Geschäftsführer von Neusiedlersee DAC, erklärt, wie das Konzept des Seeroirs entstand. „Wir hatten Workshops mit Produzenten, in denen wir besprachen, was die Einzigartigkeit wirklich ist. So haben wir diese vier Elemente identifiziert. Wissenschaftliche Untersuchungen der Universität Wien belegen, dass der See mindestens 25.000 Jahre alt ist und einst größer war. Die Sedimente wirken sich also immer noch auf das Gebiet aus, auch wenn der See nicht mehr sichtbar ist.“ Deshalb werden die Reben heute auf Böden gepflanzt, die einst Teil des Sees waren.