Obwohl die Gruppe WienWein nur sechs Mitglieder hat, bildet sie die Speerspitze des Wiener Weingeschehens. Den Job als Obmann hat Topwinzer Rainer Christ von Winzer-Doyen Fritz Wieninger übernommen. Der neue Boss im Vinaria Interview, auch über eine mögliche Fusion mit der Thermenregion.

Vinaria: Hohe Wellen schlägt die Diskussion um eine Fusion der Weinbauregionen Wien und Thermenregion, eventuell sogar unter Einbeziehung von Klosterneuburg (Vinaria berichtete exklusiv). Wie stehen Sie dazu?
Die Überlegungen für diese Fusion sind in der Thermenregion entstanden. Grundsätzlich geht es hier um eine Entwicklung eines DAC Reglements, bei dem es natürlich nicht verboten sein kann, größer zu denken. Die Diskussion hat nun Wien erreicht, in der das bestehende System ja eine richtige Erfolgsgeschichte ist. Dementsprechend wird dieser Vorschlag recht kontroversiell diskutiert.  Zur Zeit stehen mehrheitsfähige Beschlüsse in diese Richtung jedenfalls aus.

Zurück zum Obmann von WienWein. Was reizt Sie daran?
Rainer Christ: WienWein hat sich seit der Gründung 2006 toll entwickelt, ist zu einer Lokomotive für die ganze Branche in der Stadt geworden. Wir sind eine kleine, schlagkräftige Gruppe und ich bin eben jetzt das Sprachrohr. Nach 15 sehr erfolgreichen Jahren unter Fritz Wieninger. Eine große Herausforderung.

Durch anfangs vier engagierte Winzer, Sie waren auch dabei, und visionären Investoren wie Hans Schmid ist die Qualität des Wiener Weins explodiert.
Es ist eigentlich eine beispiellose Erfolgsgeschichte. Zuerst waren wir zu zweit aus Transdanubien, der Fritz Wieninger und ich, dazu zwei aus dem Süden in Mauer, der Michi Edlmoser und der Richard Zahel. Kollegen aus dem 19. Bezirk, etwa aus Grinzing, waren anfangs nicht vertreten. Das hat sich erst 2010 ergeben mit dem städtischen Weingut Cobenzl und mit Hans Schmid, der hat beim Mayer am Pfarrplatz und im Roten Haus Vollgas gegeben.

 

Wien als trendige Weinreise-Destination

Was sind Ihre Ziele und Pläne in den näcnhsten Jahren?
Im Weinbau wächst nichts von alleine in den Himmel; wir werden vor allem weiter an der Qualitätsschraube drehen. Die Bewirtschaftung der Weinbauflächen sicherstellen, was gar nicht so einfach ist, es geht um den Bestand des Weinbaus in Wien. Dazu streben wir mehr strategsiche Kooperationan an, vor allem mit dem Tourismus.

Wien als Weinreise-Destination?
Ja, genau. Wir möchten den Wiener Wein für möglichst viele Gäste erlebbar machen und arbeiten mit Hochdruck an der Zeit nach Corona. Dazu gehört auch unsere Kooperation mit Schloss Schönbrunn, wo im Herbst der neue Heurige Josef II. eröffnen soll. Einen Weingarten betreiben wir dort ja schon gemeinsam.

Die Symbiose von Wein, Genuss, Kultur und Sightseeing?
Richtig, das gehört noch viel enger vernetzt. Wir brauchen Produkte und Packages für die Gäste. Kulinartisch-vinophiler Genuss gehört zu Städtetrips einfach dazu. Da haben wir noch viel Luft nach oben.

Der Wiener Alt-Bürgermeister Michael Häupl ist ein großer Weinfreund, hat die Grinzinger Heurigen wegen mangelnder Qualität scharf angegriffen. Heute dreht sich das gerade, warum?
Weil WienWein auch die kleinen Betriebe mitgerissen hat. Die alten traditionellen Heurigen mit den Bussen vor der Tür haben gesehen, dass ihr Geschäftsmodell besonders in diesen Zeiten, doch recht einseitig ist. Bürgermeister Häupl hat einmal gesagt: Früher sind die Winzer immer jammern gekommen; seit ihr das macht klappt es und ist eine helle Freude.

 

Wiener Weingärten unter „Denkmalschutz“

Wien, die Millionenstadt mit 700 Hektar Weingartenfläche und eigenem – sehr guten – Weingut, dem Cobenzl. Perfekt, oder?
Besser geht’s nicht, das ist ein wahrer Schatz. Darauf können wir bauen, das ist fast eine Alleinstellung, touristisch ein großer Vorteil. Die Stadt Wien hat für den Wein immer ein offenes Ohr, sie weiß, was sie an uns hat.

WienWein war federfühend beim Unterschutz-Stellen der Wiener Weingartenflächen. Wie funktioniert das?
Wir haben viele kleinstrukturierte Betriebe, insgesamt etwa 150, viel Nebenerwerb auf Pachtflächen. Die Verpächter haben oft wenig Bezug zum Weinbau, haben geerbt, was auch immer. Die Gefahr ist groß, dass man da andere Verwertungen sucht, profitablere. Mit dem „Denkmalschutz“ für die Wiener Weingärten ist uns ein großer Wurf gelungen.

Heißt im Klartext?
Wer in Wien einen Weingarten rodert, muss ihn neu auspflanzen. Damit sind Umwidmung, Verbauung und Spekulation Riegel vorgeschoben. Darüber wachen wir mit Argusaugen.

Die Flächenerträge sind im Österreich-Verleich relativ niedrig?
Weil wir so viele Toplagenhaben! Die werden einfach anders bewirtschaftet. Das sind zm Teil historisch außergewöhnliche Lagen, die waren lange in Vergessenheit. WienWein hat das wachgerüttelt, da haben wir noch viel Potenzial.

Davon profitieren alle Winzer in Wien?
Klar, wir nehmen die mit. In unserem Mentoring-Programm, wo wir auch Nicht-Mitglieder betreuen, haben wir gut 30 Betriebe, die daran partizipieren.

Soll WienWein wachsen? Wie sind die Aufnahmekriterien?
Wenn es Kollegen gibt, die einen guten Job machen, offen sind und zu uns passen, warum nicht? Wachstum an sich ist aber nicht unser Ziel. Wir sind zuletzt ja von vier auf sechs Betriebe gewachsen.

 

Herkunft steht in Wien deutlich über der Rebsorte

Wo sehen Sie WienWein in 10 Jahren?
Wir wollen die Themenführerschaft in unseren Kernbereichen ausbauen, vor allem bei der Qualität und auch in der Weinbaupoliitk. National gesehen spielen wir schon an der Spitze mit. Den Mittelbau und die Jungen möchten wir motivieren.

Wie geht es mit DAC weiter, gibt es Pläne?
Wir haben eine spezifische Situation. Unser Weinbaugebiet, die DAC-Region, ist gleichzeitg das Bundesland. Die Herkunft steht in Wien deutlich über der Rebsorte. Da sind wir viel weiter als andere.

Dem Gemischten Saz hat DAC einen Boom beschert?
Ja, seit 2006 ist die Anbaufläche um satte 170 Hektar gewachsen. Jeder unserer sechs Betriebe hat heute fünf bis acht Gemischte Sätze im Sortiment. Das ist die ganze Bandbreite, sehr bunt, vom Alle-Tage-Wein bis zum High-End-Produkt.

DAC ist aber „nur“ der Wiener Gemischte Satz….
Genau das ist das Problem. Wir sind alle sechs Mitglieder der Österreichischen Traditionsweingüter (ÖTW) und führen auch deren Erste Lagen für Gemischten Satz, Riesling, Veltliner und Weißburgunder. DAC ist aber nur der Gemischte Satz.

 

Klares JA zur Lagen-Klassifizierung

Womit wir bei der heiß diskutierten Frage der Lagenklassifizierung wären?
Exakt. Wir sind geschlossen dafür und möchten auch eine führende Rolle für die ÖTW. Da wird man aber über das DAC-Regulativ reden müssen, weil es niemals sein darf, dass ein Qualitätswein aus Wien, der nicht DAC ist, nicht Wien am Etikett stehen hat. Derzeit könnte das nur der Gemischte Satz.

Also Ja zur Lagenklassifizierung?
Absolut, auch wenn es noch ein weiter Weg ist. Das ist überhaupt der aufwendigste Prozess, den die Weinwirtschaft in Österreich seit Jahrzehnten durchmachen muss. Die ÖTW sind da eine treibende Kraft.

Wie sollen Erste Lagen klassifiziert werden?
Das ist zu diskutieren. Jedenfalls kommen meiner Meinung nach nur Weine infrage, die über einen längeren Zeitraum überdurchschnittlich reüssiert haben. Es geht um den Wein kombiniert mit der Signifikanz seiner Herkunft. Solche Lagen sollten dann in einen Evaluierungsprozess eintreten, um das mögliche Potenzial heraus zu arbeiten und unter Beweis zu stellen.

Rainer Christs Wunsch ans Christkind?
Dass uns weitere 15 so erfolgreiche Jahre noch enmal bevorstehen und wir unser betriebliches Wachstum mehr über die Qualität vorantreiben können, weniger über die Fläche. Und für WienWen möchte ich einen ordentlichen Job machen.

Danke für das Gespräch.

 

ZUR PERSON: Rainer Christ

Geburtsdatum: 21.02.1975
Sternzeichen: Fisch

Familie: Lebensgefährtin, 2 Kinder (Mädchen, Bub)
Ausbildung: Weinbauschule Klosterneuburg, Matura, Auslandspraktika (Toskana, Bordeaux, USA)
Betrieb: Einstieg 2000, von Eltern übernommen 2006, derzeit 25 Hektar
Lebensmotto: „Kann nicht, soll nicht, geht nicht - gibt’s nicht!“
Liebslingswein (außer den eigenen): Veltliner und österreichische Burgundersorten sowie rote Bordeaux‘: „Da bin ich ein Riesenfan“
Lieblingsspeise: Nur beste Zutaten, dann vom Butterbrot bis zum Sternedinner
Gourmet-/Weinreisen: San Sebastian in Nordspanien und (wieder) Japan, „wo mich die kompromisslose Produktqualität beim Essen fasziniert“
Hobby/Sport: Famiie, Essen, Trinken, Reisen