Eben saßen wir noch am Attersee im Garten und verkosteten die 1979er Rieslinge, und jetzt sollen mehr als 40 Jahre vergangen sein? Tatsächlich ist ein 40-Jahr-Jubiläum für eine so spezifische Fachzeitschrift ein beachtliches Ereignis und geeigneter Anlass, um 40 Jahre Vinaria im Zeitraffer Revue passieren zulassen. 

Am Anfang war nicht das Wort, sondern die CAVE, eine von drei weinbegeisterten jungen Leuten gegründete Weinbruderschaft, der ich 1981 beitreten durfte. Schon im ersten Jahr wurden zwei Weinverkostungen durchgeführt, die im Frühjahr den Grünen Veltliner und im Herbst, eigentlich Sommer, den Riesling 1979 zum Gegenstand hatten.

Dabei wurde sehr forsch bewertet und das 20-Punkte-Spektrum voll ausgeschöpft, sodass zwei prominente Wachauer Betriebe mit 7,5 und 5,8 Punkten Vorlieb nehmen mussten. Der Sieger in Gestalt des Schütt-Rieslings von Emmerich Knoll war aber ein Erlebnis, das sich alsbald zur Weinlegende entwickeln sollte.

Die Geburt der Vinaria

Das einjährige Bestehen des Vereins wurde mit der Herausgabe einer Zeitschrift namens Vinaria gefeiert, die künftig einmal pro Jahr erscheinen sollte. In der ersten Ausgabe wurden die beiden genannten Verkostungen dokumentiert, aber auch die Weine Jugoslawiens und Betriebe des Piemont vorgestellt, während Wolfgang Obermaier im Gefolge einer Burgund-Reise einen sehr gehaltvollen Beitrag über die Bourgogne verfasste. Auch die damals weithin unbekannte und heute so gehypten Weine des Jura bekamen ihre Bühne.

Erste echte Zeitschrift

Mit dem vierten Jahrgang erfolgte der Übergang zur „echten“ Zeitschrift, denn sie wurde erstmals gedruckt, und mit Nummer 2 von 1985 auch der übliche Zeitungssatz eingeführt. Die einstigen Sonderhefte wurden zu den Nummern 2 und 3. Die Inhalte waren durchaus ambitioniert und vielfältig: So berichtete Peter Permann, der mittlerweile zum Team gestoßen war, ausführlich über die von ihm besuchte kalifornische Weinszene und organisierte gemeinsam mit dem anderen Neuzugang, Otto Haberhauer, eine Verkostung des geheimnisumwitterten Brunello di Montalcino, der seinerzeit nur von rund 15 Produzenten angeboten wurde. Weniger freudvoll war die Begegnung mit dem Jahrgang 1983, dem ersten Hitzejahr der weinbaulichen Neuzeit, mit dem die österreichischen Winzer genauso wenig anfangen konnten wie wir als Degustatoren.

Zwei Sterne gehen auf

Mit der Verkostung der 1984er Veltliner und der 1985er und 1986er Rotweine begannen zwei bemerkenswerte Siegesläufe – der von Franz Pichler (damals noch ohne Xaver) und jener von Ernst Triebaumer, der mit dem sagenumwobenen, noch heute mit Genuss zu trinkenden Mariental 1986 eine neue Ära für den österreichischen Rotwein einleitete.

Dazu gehören auch Cover, die sich sehen lassen konnten, wie die vom Fotokünstler Helmut Schumnik gestalteten, subtilen Fotostrecken, oder die bildhübschen, impressionistisch anmutenden Aquarelle, die Gerhard Almbauer eigens für Vinaria kreierte.

Große Degustationen widmeten der in Italien gut vernetzte Wolfgang Obermaier seiner alten Liebe Chianti Classico und dem damals noch weit vom heutigen Niveau entfernten Südtirol, während Josef Obermaier und ich das Vergnügen hatten, von meinem langjährigen Freund und Mentor Herbert Bauer regelmäßig zum „Frühling mit Bordeaux“ eingeladen zu werden.

Zu diesen Anlässen kamen beispielsweise solche Kaliber wie Mouton 1945, Cheval Blanc 1947, Haut Brion 1921 und die Yquem-Jahre 1900, 1921 und 1945 ins Glas, was für uns eine unglaubliche Bereicherung darstellte. Mit gewissem Schaudern denke ich hingegen an eine bei strömendem Regen im September 1988 im Gemeinschaftskeller abgehaltene, zweitägige Amarone-Verkostung zurück, die uns an die Grenzen unserer Leistungsfähigkeit brachte.

15,9 Punkte für den Opus One

Peter Permann scheute keine Kosten und Mühen, um 112 kalifornische Rotweine nach Wien zu bringen, die eine legendäre Degustation ermöglichten. Sieger war übrigens Stag’s Leap 1985; nach wie vor wurde sehr streng bewertet, wie 15,9 Punkte für den Opus One 1987 beweisen.

Apropos legendär: Das war sicher das treffende Prädikat für eine Verkostung von 36 Rieslingen von 1990, je zu einem Drittel aus Deutschland, Österreich und dem Elsass, die unser Kollege Stuart Pigott innerhalb einer Woche in London, Paris und New York veranstaltete. In Paris konnte ich teilnehmen und die Juroren nach ihren Eindrücken und Bewertungen befragen – ein offizielles Ergebnis gab es ja nicht –, und siehe da, der Kellerberg von FX wäre vor dem Loibenberg von Leo Alzinger gelandet. Gemeinsam mit den sogenannten Korso-Verkostungen, die Veltliner mit den prominentesten Chardonnays und die steirischen Sauvignons mit der Weltspitze verglichen, sicher ein Meilenstein für die internationale Anerkennung österreichischer Weißweine.

Eine Weinreise führte drei Autoren nach Tokaj, wo sich nach der Wende Aufbruchsstimmung manifestierte. Sechs Stunden unterhielten wir uns mit Pionier und Geheimtipp István Szepsy, davon drei Stunden in gebückter Haltung in seinem Miniaturkeller verkostend.

Das Jahr der Sommerweine   

Eingependelt haben wir uns nach einer Versuchsphase bei alljährlichen Degustationen von Weinen, die zumeist fünf Jahre oder älter sind, und bei jedem Jahr etwas differierenden Themen. Auch die leichten Sommerweine wurden ein regelmäßiges Thema, wobei ich diesen Begriff meiner Erinnerung nach erstmals im deutschen Sprachraum für Vinaria verwendet habe, als ich 1984 zu den 1982er Rieslingen aus Österreich „Das Jahr der Sommerweine“ titelte.

Im Jahr 2002 wurde schließlich der Vinaria Guide begründet, der über die Jahre ebenfalls stetig anwuchs, bis er einen Umfang von rund 4.000 Weinen erreicht hatte. Auch die internationale Weinszene wurde nicht vernachlässigt. Nach einem Start mit den sagenhaften Weinjahren 1989 und 1990 wurde stets der zehn Jahre zurückliegende Bordeaux-Jahrgang evaluiert.

Neue Kleider zum 40er   

Somit feiert Vinaria im laufenden Jahr sein 40-jähriges Bestehen und schenkte sich zur vergangenen Ausgabe 01/2022 ein neues Layout ebenso wie ein etwas vergrößertes Format und mehr Platz für die wunderbaren vinophilen und kulinarischen Inhalte – vor allem, aber bei Weitem nicht nur aus Österreich.

Cover 1987
Cover 1997
Cover 2003
Cover 2006
Cover 2011
Cover 2014
Cover 2022