Berge, Palmen, Zauberlicht: die Südtiroler Städte Bozen und Meran wurden reich beschenkt. Die perfekte Bühne für eine Mischung mit allem, was uns gefällt: urige Zirbenstuben, kühne Designhotels, deftige Knödel, feine Weine und lässiges Dolce Vita. Hier eine Reportage, im zweiten Beitrag die besten Adressen.

Wer sagt, dass eine Insel im Meer liegen muss? Eine Insel ist ein Stück Freiheit, wie hier oben im Vigilius Mountain Resort auf 1500 Metern. Idyll sagt man vorschnell, dieser Landschaft gestehen wir das Wort aber zu. Die Berge wirken wie gemeißelt, die Wiesen wie Teppiche mit bunten Blumentupfen – eine Schönheit vom Lande, nur fünf Minuten Seilbahnfahrt von Lana bei Meran entfernt. 

Das Hotel liegt wie ein umgestürzter Baumstamm da, verkleidet mit 300 Jahre altem Lärchenholz. Als das Haus 2004 eröffnet wurde, hatte Besitzer Ulrich Ladurner schlaflose Nächte. Das erste Projekt von Stardesigner Matteo Thun in seiner Südtiroler Heimat war ein wegweisender, für die Einheimischen zu großer Entwurf. Heute ist dieser Stilwandel die spektakuläre Antwort auf Südtiroler Hirschgeweihromantik.

Ein Beispiel für die Zukunft, die bereits die Gegenwart zeigt, ist die Therme Meran. Der transparente Glaskubus bildet das Herzstück. Viel Hoffnung floss in den Bau, schließlich ging es um Merans Neuerfindung. An das Nebeneinander hat man sich gewöhnt. Auf der einen Seite des Passer-Flusses die klassische Promenade mit dem Jugendstil-Kurhaus, am anderen Ufer die moderne Therme. 

In Bozen konzentrieren sich mittelalterlich-barocke Häuser mit Türmchen und Erkern auf die Altstadt, im Westen dehnt sich Europas größte Ansammlung faschistischer Bauten aus – unter Mussolini nach der Übergabe Südtirols an Italien 1918 als Repräsentationsobjekt für das Regime errichtet. Viele Bozener sprechen heute von einer Entspannung. Die deutschsprachigen Südtiroler würden sich zwar nicht als Italiener bezeichnen, zweisprachig sind aber die meisten.

„Bozen? Da kannst du nur hin, wenn es regnet“, war ein ungeschriebenes Gesetz. Und das ist noch nicht einmal so lange her. Heute pulsiert die Stadt mit Bars, neuen Restaurants und Galerien. Und ein Mumienfund in den Ötztaler Alpen brachte einen zusätzlichen Schub. Die ganze Welt interessierte sich für Ötzi, der in einem diskret abgedunkelten Raum hinter Panzerglas zu sehen ist. 

Palmen und verschneite Berge, Pasta und Knödel

Die Mischung macht’s: halb Österreich-Südtirol, halb Italien, traditionell und modern. Das Reizvolle ist diese Vielfalt, die so wie in Meran in der Stadt oder gleich um die Ecke in den nahen Dörfern zu finden ist. „Ich habe Palmen und gleichzeitig den Blick auf die verschneiten Berge. Ich kann Pasta essen oder Knödel, mich in den gemütlichen Buschenschank oder in die stylishe Bar setzen. Ich bin innerhalb von 30 Minuten auf der Seiser Alm, am Kalterer See oder am Skihang.“ Das ist das Lebensgefühl, das Thomas Rizzolli so schätzt. Rizzolli ist eines der ehrwürdigsten Geschäfte in Bozen, edle Hüte und Schuhe in einem alten Haus in den Lauben, seit über 800 Jahren die zentrale Einkaufsstraße der Stadt. 

Natur ist und bringt Kapital. Im modernen PUR Südtirol im Meraner Kurhaus präsentieren sich in den Designerregalen ausschließlich regionale Produkte, viele davon bio. Geboten werden rund 1600 Produkte von Lieferanten, mit denen PUR persönlichen Kontakt pflegt. Das Publikum: keine ausgehungerten Alternativtypen in Jesuspatschen. Nein, ganz normale Leute, die Massenprodukte satthaben. Stattdessen kaufen sie lieber Schüttelbrot, Kräutersalz, Bauernspeck, Vinschger Bergmarillenmarmelade, Schokolade, Säfte und Weine, sogar Wohn- und Küchenaccessoires von Südtiroler Künstlern gibt es. 

Küchenvergleich der Städte Bozen und Meran

Tradition und Moderne verstehen sich gut. Tracht, Schlutzkrapfen und Volksmusik spielen die erste Geige, schließlich hat Südtirol doppelt so viele Blaskapellen wie Gemeinden. Doch unter der Tracht stecken frische Geister, bestens zu sehen in der Küche. 

Im Küchenvergleich der Städte hat Meran die Nase vorne. Küchenchef Andrea Fenoglio und sein Restaurant Sissi sind bereits Ikonen. Mit lässigen Sneakers wieselt er durch sein offenes, helles Lokal, begrüßt hier einen Freund, macht da ein Späßchen. Die Krönung seiner Küche ist das Sieben-Gang-Menü. Eine Reise durch Italien, die immer wieder ans Meer führt. Manchmal kann es bei Fenoglio ganz schön avantgardistisch zugehen.

Auch das Restaurant Castel Fine Dining in Dorf Tirol bei Meran spielt in der obersten Liga mit. Wenige Tische, fein eingedeckt, dazu ein Blick ins Tal, für den allein sich der Besuch bereits lohnt. Gerhard Wieser vereint in seiner mit zwei Michelin-Sternen prämierten Küche das Beste aus zwei Welten: aus regionaler und aus italienischer Küche. Der heimische Saibling und Scampi sind zwei Beispiele von Premiumprodukten, die mit hochwertigen Zutaten kunstvoll kombiniert werden. Facettenreich im Geschmack und optisch eine Augenweide.

Wenn man von Spitzenküche spricht, muss auch das Restaurant Prezioso im Castel Fragsburg auf die Liste. „Südtirol Heiss inszeniert“ nennt sich die Kunstform von Küchenchef Egon Heiss. Der Sarntaler besinnt sich ganz auf seine Wurzeln. Basis für seine Kreationen sind bodenständige Rezepte, die schon seit Generationen weitergegeben und von Heiss modern interpretiert werden.

Umwerfend: das AlpINN am Kronplatz in 2275 Meter Seehöhe

Bozen hält mit dem AlpINN Food Space und Restaurant auf dem Kronplatz entgegen. Die Architektur des Restaurants auf 2275 Metern ist atemberaubend, der Bau thront auf Pfeilern gestützt über dem unendlich wirkenden Abgrund. Mastermind ist Dreisternekoch Norbert Niederkofler. Aus einfachen, puren und reinen Zutaten kreiert er für jeden zugängliche Gerichte, um den wahren Geschmack der lokalen Bergküche auf den Teller zu bringen.

Das ConTanima im Parkhotel Laurin punktet schon einmal durch den herrlichen Park mit Mammutbäumen. Küchenchef Dario Tornatore lässt seine Eindrücke, die er in Italien, Frankreich, London, Bahrein und Saudi-Arabien sammelte, mit viel Fingerspitzengefühl harmonisch miteinander verschmelzen.

Die  Löwengrube, Bozens älteste Gaststube, präsentiert sich in einem gekonnten Mix aus modern und edel. Gleiches Prinzip bei den Gerichten, sie vereinen Exotik und Tradition. Eine Kostprobe? Jakobsmuschel in der Orangenblüte. Auch die Weinvielfalt kann sich sehen lassen. Der jährlich vergebene Preis für Südtiroler Weinkultur ging in diesem Jahr an die Löwengrube. 

Weinstadt Bozen verfügt über 500 Hektar Rebfläche

Bozen hat mehrere Talente: Hauptstadt, Bühne für Bars, kultureller Schmelztiegel und Weinbaugemeinde mit 500 Hektar Rebfläche – fast soviel wie Wien. Einer der außergewöhnlichsten Winzer ist Fritz Dellago, gleichzeitig Besitzer von Schloss Korb. Mit braunem Teint, veilchenblauen Augen und rotem Nadelstreif führt er uns zu einem ehemaligen Bunker. Jetzt schlummern in der kalten Tiefe seine Weine, zum Beispiel der Weißburgunder, der 2007 bis 2010 von der Weinbibel Gambero Rosso mit drei von drei möglichen Gläsern geadelt wurde. 

Knapp 2000 Sonnenstunden im Jahr, kühle Nächte und mineralische Gletscherböden sind ideale Voraussetzungen für diese Qualitätsweine. Wie schön dieses Weinland ist, sieht man von der Terrasse des luxuriösen Schlosshotels. Unter uns das grüngewellte Gebiet des Überetsch, im Osten schimmern die Dolomiten rötlich, weiter südlich schwingt sich die Südtiroler Weinstraße in sanften Kurven zum Kalterer See. 

Kellereigenossenschaften von internationalem Ruf

In nächster Nähe zu Bozen findet man noch mehr besuchenswerte Weingüter. Vor allem die Kellereigenossenschaften haben sich einen guten Ruf erarbeitet. Die Cantina Kaltern wurde bereits im Jahr 1900 gegründet. 2016 ging die letzte große Fusion über die Bühne, der Zusammenschluss der Erste+Neue Kellerei mit der Kellerei Kaltern zur Kellerei Cantina Kaltern mit 650 Mitgliedern und 450 Hektar Weinbaufläche. Heute zählt die Cantina zu den wichtigsten Betrieben Südtirols. 

Das gleiche Geburtsjahr hat die Kellerei Kurtatsch: 1900. Heute sind 190 Familien an dieser Genossenschaft mit 190 Hektar Weingärten beteiligt. In allen Höhenlagen finden sich Weingärten, die Spannweite reicht von 220 bis 900 Metern Seehöhe. Die warmen tiefen Lagen aus Kies und Lehm sind für Rotwein prädestiniert, die höher gelegenen Rieden für Weißweine. Ein ambitioniertes Projekt ist eine Bordeaux-Cuvée höchster Qualität, gewonnen aus Trauben der besten Parzellen der Lage Brenntal. 

Auf eine noch längere Geschichte blickt die Kellerei Tramin zurück. 1898 wurde von Christian Schrott, Pfarrer von Tramin, die Genossenschaft Tramin gegründet. Heute steht der Betrieb bestens da. 160 Winzerfamilien bearbeiten rund 270 Hektar Rebfläche. Kellermeister Willi Stürz fokussierte die Kellerei in den 1990er-Jahren in Richtung kompromissloser Qualität. Und die Anstrengungen zahlten sich aus: Unter seiner Leitung regnete es förmlich Preise. Zu den größten Schätzen gehören prestigeträchtige Lagen wie die für Blauburgunder prädestinierten Rieden Mazzon und Glen. Die 2009er Gewürztraminer-Spätlese „Epokale“ wurde von Parkers Wine Advocate mit 100 Punkten ausgezeichnet – als erster italienischer Weißwein überhaupt. 

Bauernhof mit Buschenschank & Designrestaurant

Der Kinighof, ein uriger Bauernhof und Buschenschank auf dem Ritten hoch über Bozen. Die alte Stube ist eine Zeitreisemaschine, die mit Großvateruhr, Bett über dem Kachelofen und hölzernen Boden, Wänden und Decken in frühere Jahrhunderte entführt. Serviert wird nur Selbstgemachtes: Brot, Speck, Apfelsaft, Brennnesselknödel mit würzigen Wiesenkräutern, Wein, Gulasch mit erdiger Polenta.

Immer eine feine Alternative ist nahe Meran das Designrestaurant Miil in alten Mauern, wo Othmar Raich wilden Wiesenspinat, Waldbeeren, Waldklee und Fichtennadeln in modernen Kreationen mit Fisch und Fleisch kombiniert. Dazu trinkt man die leichten und gleichzeitig dichten Kränzelhof-Bioweine von Hausherr Franz Pfeil.

Bleibt jetzt nur die Frage: Welche gefällt besser? Bozen, die Quirlige voller Gegensätze oder Meran, die ruhige Schöne? Wir verschieben die Entscheidung. Zwei Liebesbeziehungen nebeneinander haben auch ihren Reiz.

Die besten Adressen für Essen, Trinken, Schlafen in den Regionen von Bozen und Meran finden Sie im nächsten Beitrag. Weblink nach der Galerie.

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Der Waltherplatz ist das Zentrum in Bozen: Hauptstadt, Bühne für Bars, kultureller Schmelztiegel und Weinbaugemeinde mit 500 Hektar Rebfläche. © IDM Südtirol-Alto Adige/Alex Filz
Die 800 Jahre alte Laubengasse ist die größte Einkaufsstraße in Bozen. © IDM Südtirol-Alto Adige/Alex Filz
Der historische Weinkeller des Restaurants Löwengrube in Bozen beherbergt Schätze aus aller Welt.
Hoch oben über Meran wird im Castel Fragsburg himmlisch gekocht. Lieblingsplatz ist die spektakuläre Terrasse. © Castel Fragsburg
In der 2-Michelinsterne-Küche im Hotel Castel in Dorf Tirol bei Meran legt Gerhard Wieser Wert auf die allerbesten Produkte. © Hotel Castel
In der Kellerei Kurtatsch sind Architektur und Weine auf gleich hohem Niveau. © Florian Andergassen