Vinaria liefert die wichtigste Verkostung österreichischer Premium-Rieslinge des schwierigen Jahrganges 2020. An der Spitze ein bestechender Mix aus den Riesling-Hochburgen Wachau, Kamptal und Wien mit einer Prise Kremstal.

Die wankelmütige Witterung des Vorjahres hat auch die Riesling-Spezialisten der österreichischen Winzerschaft vor große Herausforderungen gestellt. Dass diese im Großen und Ganzen recht gut gemeistert wurden, hat die Vielzahl zwar relativ schlanker, doch reintöniger und fruchtbetonter Rieslinge gezeigt, die die diesjährige Verkostung geprägt haben.

Die Vegetationsperiode des Vorjahres war von oftmaligen Wechseln zwischen kühlen und feuchten sowie warmen und trockenen Perioden geprägt, wobei die Durchschnittstemperaturen relativ hoch lagen und die Wüchsigkeit der Reben sehr stark war. Kein Wunder, dass bei einer derartigen feucht-schwülen Stimmung der Krankheitsdruck erheblich war. Recht bald war aber klar, dass die widerstandsfähige Riesling-Rebe mit den schwierigen Ausgangsbedingungen ganz gut zurechtgekommen war.

Kühle Eleganz und rassige Struktur

Mit diesen beiden Begriffspaaren sind die besten österreichischen Rieslinge von 2020 schon treffend gekennzeichnet. Tatsächlich charakterisiert die besten 2020er quer durch alle Anbaugebiete eine rassige, zuweilen fast stahlige Säurestruktur, die jedoch nur in den seltensten Fällen aggressiv oder unreif erscheint.

Der Alkoholgehalt liegt deutlich unter den drei Vorgängerjahren, wenngleich Weine aus begünstigten Lagen auch diesmal mit 13,5% ausgewiesen werden. Stets wirken diese ebenfalls relativ schlank und zum Großteil mit viel Trinkfluss versehen. Die allerbesten Exemplare verbinden diese Eigenschaften in harmonischer Weise und zeigen jene unterkühlte Eleganz, die zum Markenzeichen ebendieser Jahrgangsbesten werden könnte.

Sehr ausgeprägt sind außerdem die hellen Fruchtkomponenten, die für dieses späte Jahr ebenfalls signifikant sein dürften. Häufig sind etwa Zitrusnoten in allen erdenklichen Fruchtformen, aber auch weiße und gelbe Pfirsiche sowie sonst eher seltene Ribisel- und Stachelbeertöne. Nicht so häufig sind Assoziationen mit Marille und Ananas, die offensichtlich eher warmen Jahren vorbehalten bleiben. Nicht mit der Stoppuhr messen sollte man die Länge des Abgangs der meisten 2020er Rieslinge, denn dann würde man zumeist enttäuscht werden; nur wenige Repräsentanten verfügen nämlich über einen längeren Nachhall, was aber nicht unbedingt gegen ihre zumindest mittelfristige Haltbarkeit spricht.

Sehr positiv zu werten ist die hohe Anzahl aktueller Rieslinge, die im strikt anonymen Test 15 Punkte oder mehr erreichten, mithin eine gute Performance lieferten.

Bestechende Spitzen

Unter dem ersten Dutzend findet sich der zu erwartende Mix aus den Riesling-Hochburgen Wachau, Kamptal und Wien mit einer Prise Kremstal. Doch einigermaßen überraschend kam das Übergewicht der Wachauer Erzeuger. Bei so manchen führenden Exemplaren hatte man den Eindruck, dass das Fehlen jeglicher Schwere und Opulenz zugunsten von mehr Eleganz und Balance dem inneren Gleichgewicht, ja der Attraktivität der Jungweine zugutekam. Das Paradebeispiel dafür ist sicherlich die Dürnsteiner Burg von Franz Josef Gritsch, die noch nie in solch traumhafter Verfassung genossen werden konnte, auch wenn bereits der 2019er den deutlichen Paradigmenwechsel angekündigt hatte.

Sozusagen den Gegenpol zu dieser berühmten Lage stellt der 2019er Kalkstein von Michael Edlmoser dar, der das Maurer Terroir in unnachahmlich straffer Weise und mit kühler Eleganz zum Klingen bringt. Zweifellos kein plakativer Wein oder Blender auf hohem Niveau, sondern eher ein Repräsentant des noblen Understatements, dem die längere Fassreife schmeckbar gutgetan hat.

Das Spitzentrio vervollständigt hat der 2020er Heiligenstein von Birgit Eichinger, ein Wein wie Samt und Seide, wohl der ausgewogenste und verführerischste der gesamten Verkostungsserie, wobei ihm der Gaisberg nur wenig nachsteht.

Vier ganz unterschiedliche Perlen aus der Wachau

Ein schönes Zeichen für die Wachauer Dominanz ist das hervorragende Abschneiden von vier vollkommen unterschiedlichen Weinen: Der berühmten Dürnsteiner Schütt von Emmerich Knoll, die den Lagenton à la Stachelbeere und Cassis wieder einmal in unnachahmlicher Art ausspielte. Des ungemein animierenden, mit seinen hellen Aromen sehr puristisch erscheinenden Kalkofen, einer Riede aus dem Spitzer Graben, die Franz Josef Gritsch zur Perfektion geführt hat.

Weiters des wunderbar gereiften 2017er Leopold Smaragd des Mauternbacher Weingutes Eder vom Wachauer Südufer, der quasi ein höchst gelungenes Plädoyer für die opulente Stilrichtung hält. Auch die erst vor Kurzem erfolgte Abfüllung konnte offenbar der Performance des nuancierten wie rassigen Offenberg Smaragd von Johann Donabaum aus Spitz nicht schaden, der wiederum der schlankeren, eleganten Fraktion zuzurechnen ist.

Wien, Kamptal, Kremstal, Traisental

Vom größten und markantesten Wiener Weinberg, dem Nussberg, stammt der Weiße Marmor von Mayer am Pfarrplatz, der die kalkig-kreidigen Akzente in etwas anderer Weise und noch verhaltenerer Form zum Ausdruck bringt als sein Maurer Pendant vom anderen Ende der Bundeshauptstadt, wofür vermutlich auch sein embryonaler Charakter verantwortlich ist.

Die Flagge des Kamptals hielten noch der äußerst elegante, nahezu filigrane Heiligenstein des Weingutes Bründlmayer hoch, in dem heuer die gesamte Lyra-Ernte aufging, was diesen Cru naturgemäß enorm aufwertet. Sowie ein noch deutlich schmeckbar im großen Holz ausgebauter, ganz ruhig strömender 2019er aus der immer mehr Renommée gewinnenden Lage Kogelberg des Weingutes Steininger.

Den besten Kremstaler stellte wieder einmal Franz Proidl mit seinem fruchttiefen und extraktreichen Pfeningberg, während sein vielversprechender Ehrenfels vermutlich noch unter einem gewissen Füllschock litt. Der beste Traisentaler wiederum kommt diesmal von Markus Huber mit einem geradezu stahlig anmutenden Riesling aus der Ersten Lage Berg.

Schwierige Einordnung, berechtigte Hoffnungen

Wie ist nun der aktuelle Riesling-Jahrgang in die beliebten Jahrgangstabellen einzureihen? Am ehesten ist wohl ein Vergleich mit anderen späten Jahren sinnvoll, und da könnte man ihn klar vor 2004 und 2010 sehen, vor 2014 sowieso. Schwieriger ist schon der Vergleich mit 2016, ebenfalls ein eher kühles, spätes Jahr, das aber im Allgemeinen wesentlich kräftigere, komplettere Weine lieferte. Als Ausnahme betrachtet Vinaria die Wachau, in der 2020 die bedeutend spannenderen Qualitäten ergab.

Bezüglich der Lagerfähigkeit ist noch nicht das letzte Wort gesprochen, denn der Säuregehalt korreliert damit nicht wirklich, wie man früher irrtümlich angenommen hat. Dem guten Mittelfeld von 2020 mit über 15 Punkten kann man aber wohl drei, vier Jahre im Keller gönnen, wenngleich viele Weine vermutlich in der Jugend den meisten Trinkspaß bieten werden.

Um die allerbesten Rieslinge, die mit 17 Punkten aufwärts bewertet wurden, muss man sich keinerlei Sorgen machen, da für sie zehn Jahre, in Einzelfällen bedeutend mehr, bei adäquater Lagerung kein Problem darstellen sollten. So hat ein vor Kurzem genossener Riesling Ried Schütt des Weingutes Knoll aus dem wesentlich schwächeren Weinjahr 1991 nach 30 Jahren für nahezu jugendliches, perfektes Trinkvergnügen gesorgt.

 

Topliste: Riesling Premium Österreich (Auszug)

17,9         Weingut Edlmoser                           2019 Kalkstein Ried Sätzen 1ÖTW WI

17,9         F.J. Gritsch                                          2020 Ried Dürnsteiner Burg Riesling Reserve W

17,8         Birgit Eichinger                                  2020 Ried Heiligenstein 1ÖTW KA

17,6         Weingut Knoll                                    2020 Ried Dürnsteiner Schütt Smaragd W

17,6         Mayer am Pfarrplatz                       2020 Nussberg Weißer Marmor WI

17,6         Familie Proidl                                     2020 Ried Pfeningberg 1ÖTW KR-R

17,5         Weingut Bründlmayer                    2020 Ried Heiligenstein 1ÖTW KA-R

17,5         Weingut Andreas Eder                   2017 Leopold Smaragd W

17,4         F.J. Gritsch                                          2020 Ried Kalkofen Smaragd W

17,3         Johann Donabaum                          2020 Ried Offenberg Smaragd W

17,2         Familie Proidl                                     2020 Ried Ehrenfels 1ÖTW KR-R

17,2         Weingut Steininger                         2019 Ried Kogelberg 1ÖTW KA-R

17,1         Birgit Eichinger                                  2020 Ried Zöbinger Gaisberg 1ÖTW KA

17,1         Weingut Knoll                                    2020 Vinothekfüllung Smaragd W

17,1         Weingut Steininger                         2020 Ried Steinhaus 1ÖTW KA-R

17,0         Weingut Lagler                                  2020 Ried 1000Eimerberg Smaragd WA

17,0         Weingut Sigl                                       2020 Ried Kirnberg Smaragd W

16,9         Weingut Allram                                 2020 Ried Zöbinger Gaisberg 1ÖTW KA

16,9         Weingut Wien Cobenzl                  2019 Ried Preussen Nussberg 1ÖTW WI

16,9         Markus Huber                                   2020 Getzersdorfer Ried Berg 1ÖTW TR

16,8         Weingut Allram                                 2020 Ried Zöbinger Heiligenstein 1ÖTW KA

16,8         Weingut Jurtschitsch                      2020 Ried Loiserberg 1ÖTW KA

16,8         Weingut Müller                                 2020 Ried Hollenburger Goldberg KR-R

16,8         Ludwig Neumayer                           2020 Der Wein vom Stein Inzersdorf TR

16,8         Weingut Rabl                                     2020 Ried Steinhaus Rote Erde KA-R

16,8         Weingut Topf                                   2020 Ried Zöbinger Heiligenstein Steinwand "M" 1ÖTW KA

16,7         F.J. Gritsch                                          2020 Ried Tausendeimerberg Smaragd W

16,7         Familie Proidl                                     2020 Ried Hochäcker Reserve KR

16,7         Paul Stierschneider                         2020 Ried Rothenberg Smaragd W

16,7         Weingut Weixelbaum                    2019 Wahre Werte Ried Gaisberg 1ÖTW KA-R

16,7         Weingut Zimmermann                   2020 Ried Kremser Kraxn KR

 

 Topliste: Riesling Premium Österreich Best Buy bis 15 Euro (Auszug)

16,7         Weingut Zimmermann                   2020 Ried Kremser Kraxn KR                         € 14,40

16,5         Weingut Groll                                    2020 Ried Langenloiser Seeberg KA             € 8,00

16,5         Weingut Huber-Spitzer                  2020 Riesling Reserve Ried Doctnerin TH     € 13,50

16,5         Niki Windisch                                     2020 Ried Aggsthal NÖ                                  € 9,50

16,3         Weingut Müller                                 2020 Ried Leiten KR                                      € 13,90

16,3         Wine by S. Pratsch                           2020 Ried Heiligenberg NÖ                             € 8,80

16,2         Weingut Forstreiter                        2020 Ried Schiefer KR                                      € 14,70

16,2         Weinhof Grill                                      2020 Ried Brunnthal WA                                 € 8.00

16,1         Weingut Müller                                 2019 Ried Seindl VL                                        € 13,00

16,0         Winzerhof Dockner                         2020 Ried Rosengarten Tiefenfucha KR       € 12,50

16,0         Weingut Am Berg                             2019 Ried Steinhaus Reserve KA                  € 13,50

16,0         Weingut Lambauer                          2020 Ried Gaisriegel SST                        € 15,00

16,0         Weingut Pröll                                     2020 Ried Kirchberg NÖ                           € 6,10

15,7         Kurt Dolinek                                       2020 Riesling Zwiefanger Valley Nö           € 9,40

15,7         Josef Edlinger                                    2020 Ried Silberbichl WA                           € 10,50

15,7         Weingut Hofbauer-Schmidt         2020 Ried Ziersdorfer Köhlberg NÖ               € 8,50

15,7         Meinrad Markowitsch                    2020 Riesling NÖ                                              € 7,90

15,6         Weingut Haimerl                              2020 Ried Haid KA                                        € 12,90

15,5         Alfred Markus Deim                        2020 Bergwein Ried Ogratzthal KA              € 8,00

15,5         Weingut Schwarz                             2019 Selection NÖ                                           € 10,40

15,5         Weingut Studeny                             2020 Urgestein Ried Triftberg NÖ                  € 9,00

 

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Gloria und Birgit Eichinger - 4 Kronen im aktuellen Vinaria Weinguide! © Robert Herbst
Lorenz Haas vom Weingut Allram © Julius Hirtzberger
Johann Donabaum © Florian Schulte
Peter und Eva Steininger © LWmedia / Leonardo Ramirez
Adrienne und Heinz Sigl © Monika Löff
Karl Lagler © Andrea Plech
Cobenzl-Betriebsleiter Thomas Podsednik © Raimo Rudi Rumpler
Andreas Eder aus Mautern brilliert mit seinen Weinen. © Monika Löff
Thomas Klinger und Andreas Wickhoff mit Willi und Edwige Bründlmayer. © Anna Stöcher
Niki Windisch © Alexander Seidl
Meinhard Forstreiter © Weingut Forstreiter
Gudrun Grill-Gnauer © Gerald Hörmann
Stefan und Leopold Müller © Herbst
Stefan Pratsch - 3 Kronen im aktuellen Vinaria Weinguide! © Astrid Bartl
Johannes, Monika, Karl und Niki Haimerl © Julius Hirtzberger
Quereinsteiger Karl Huber und Hannes Spitzer aus Schranawand in der Thermenregion. © Weingut Huber-Spitzer
Alois Zimmermann stellte den besten Preis-Leistungs-Riesling der Verkostung. © Nimo Zimmerhackl
Franz und Patrick Proidl bestachen mit ihren drei Lagenrieslingen aus Senftenberg. © Edwin Dullinger / art74.at
Wolfgang Groll erfreute mit Riesling vom Langenloiser Seeberg. © Foto Wilke
August, Emmerich sen. und Emmerich H. Knoll vom gleichnamigen Weingut in Unterloiben. © Günter Standl
Gerhard Lobner vom Weingut Mayer am Pfarrplatz. © Steve Haider