Wein-Österreich tastet sich an die Lagen-Klassifizierung heran, scharfe Kontroversen inbegriffen. Ein Konsens ist noch nicht in Sicht, das zeigte einmal mehr die jüngste Sitzung des Nationalen Weinkomitees Anfang Juli.

Vinaria hat zusammengestellt, nach welchen Kriterien Lagen hervorgehoben werden. Von Burgund bis Tokaj.

Die Zisterziensermönche im Burgund haben schon im Mittelalter wissenschaftliche Methoden für den Weinbau entwickelt. Auf der Basis von Aufzeichnungen, die über viele Jahre reichten, wurden einzelne, besonders gute Lagen abgegrenzt. Das blieb nicht ohne wirtschaftliche Folgen.

Für Weine aus bekannt guten Weinbergen konnte ein höherer Preis verlangt werden als für Gewächse aus gewöhnlichen Herkünften. Die erste Klassifikation im Weinbaugebiet Bordeaux erfolgte ausschließlich nach dem Preis, den ein Château für seine Produkte auf dem Markt erzielen konnte. Deshalb war die Versuchung auch für andere Appellationen groß, eine Elite der Weinberge zu schaffen, und sie ist es noch heute.

Tokaj

Als weltweit erste Klassifizierung von Weinbergslagen gilt jene von Tokaj aus dem Jahr 1730. Sie basierte auf einer dreistufigen Hierarchie. Zu jener Zeit trank man Tokajer am Hof von Ludwig XIV. ebenso wie bei Banketten des Zaren. Der Tokaj galt als „König der Weine und Wein der Könige“ und brachte den Winzern Wohlstand. Durch königlichen Erlass von 1737 war die heutige Region Tokaj-Hegyalja weltweit das erste geschützte und geschlossene Weinbaugebiet. 1995 wurden die Lagen neuerlich klassifiziert.

Burgund

Im französischen Burgund werden Weinberge schon seit Jahrhunderten in Qualitätsklassen eingeteilt. Denis Morelot gab 1831 eine Statistik über die Weingärten der Côte d’Or heraus. Professor Lavalle aus Dijon veröffentlichte 1855 ein Buch über die Großen Weine dieser Appellation.

Schon bald darauf, 1861, gab es eine erste systematische Lageneinteilung mit vier Klassen. Auf seiner Grundlage kam es 1936 zur Einführung des AOC-Klassifikationssystems (Appellation d’Origine Contrôlée) durch das Institut national de l’origine et de la qualité (INAO), eine staatliche Institution mit Sitz in Paris.

Bei der Einteilung wurden Rebsorten, Weinbautechniken, Alkoholgehalt, Flächenerträge und die (typische) Stilistik berücksichtigt. Vier Qualitätsstufen wurden definiert: die regionalen Appellationen, die Gemeinde-Appellationen und als prestigeträchtige Spitze die Lagen mit den Adelsprädikaten Premier Cru oder Grand Cru. Die Angabe einer „gewöhnlichen“ Lage in Verbindung mit dem Gemeindenamen ist möglich.

Heute entfallen etwa zehn Prozent der Anbaufläche auf Premier Cru, zwei Prozent auf Grand Cru. In diesem System sind implizit die Unterschiede der (oft kleinräumig variierenden) Bodenbeschaffenheit, des Mikroklimas, der Topografie und der Exposition abgebildet.

Der Entscheidungsprozess, welche der vielen Lagen der Königsklasse zuzuordnen sind, wurde erst 1984 abgeschlossen. Der Ertrag ist mit 35 hl/ha limitiert, für Premier Cru sind 45 hl/ha zulässig. Mitunter sind Premier-Cru-Lagen der Qualität eines Grand Cru ebenbürtig oder übertreffen sie sogar.

Im Sinne der Klassifikationsregeln sind alle Weißweine Chardonnays, es sei denn, auf dem Etikett ist eine andere Rebsorte vermerkt, und Rotwein wird aus Pinot Noir gekeltert, wenn nicht anders angegeben. Diese beiden Rebsorten reagieren besonders die sensibel auf das Terroir, weshalb es auf kleinstem Raum unterschiedliche Klassifizierungen gibt.

Bordeaux

1855 wurden zur Weltausstellung in Paris Châteaux im Médoc klassifiziert. Am höchsten bewertet wurden jene Weingüter, welche während der vergangenen 100 Jahre die höchsten Marktpreise für ihre Weine erzielt hatten. Als einziges Weingut der Region Graves erhielt Château Haut-Brion den Status Premier Cru.

Änderungen sind nur beim Verkauf eines Weingutesu möglich, das heißt, die Klassifizierung ist an den Besitz gekoppelt. Das bedeutet, dass eine Cru-Bourgeois-Rebfläche aufgewertet wird, wenn sie von einem Cru-Classé-Weingut erworben wird. Die Schlussfolgerung daraus: Für einen guten Wein braucht es einen guten Namen.

Über so komplizierte Einflussgrößen wie Bodenbeschaffenheit, Exposition oder meteorologische Randbedingungen zerbrach man sich nie den Kopf. Man war wohl der Ansicht, das alles müsse passen, sonst wäre der Wein nicht so teuer. Diese Klassifikation hatte bis 1973 Bestand, als Château Mouton-Rothschild mit dem Segen des Landwirtschaftsministers vom Deuxième Cru zum Premier Cru aufstieg.

Ebenfalls 1855 wurden die edelsüßen Weißweine aus den Gemeinden Sauternes und Barsac in analoger Weise klassifiziert, nur Châuteau d’Yquem erhielt den Sonderstatus Premier Cru Supérieur.

1949 kam es zu einer Gesetzesnovelle (1959 zu einer Überarbeitung), welche für Graves Rot- und Weißweingüter klassifizierte, und zwar ohne Rangunterschiede.

Für die Weine von Saint-Émilion wurden erstmals 1954 zwei Sonderklassen eingeführt: Premier Grand Cru Classé und Grand Cru Classé. Diese Klassifikation ist im Unterschied zu den anderen Bewertungen in Bordeaux nicht starr, sondern wird regelmäßig überprüft. Das Besondere: Sie ist an die Lagen gebunden.

Alsace Grand Cru

Im Jahr 1975 wurde auf gesetzlicher Basis die Appellation Alsace Grand Cru geschaffen, zunächst nur für eine einzige Lage, den Schlossberg in Kientzheim. Der Begriff Grand Cru war freilich schon lange vorher verwendet worden. Seit 1984 kam es immer wieder zu Erweiterungen per Rechtsakt (Décret).

Ausschlaggebend ist das Terroir. Vorausgesetzt wird vor allem die geologische Homogenität des Bodens. Als Konsequenz aus dieser Forderung ergeben sich sehr unterschiedliche Größen der Lagen, von wenigen Hektar bis über 80.

Zugelassen sind die Rebsorten Riesling, Gewürztraminer, Pinot Gris, Muscat blanc à petits grains, Moscato Rosa, Muscat Ottonel und der Sylvaner auf dem Zotzenberg. Die Weine müssen reinsortig ausgebaut werden. Geregelt sind der Flächenertrag, der Alkoholgehalt und die Pflanzdichte.