Nicht nur in der Wachau, sondern auch im Ruster Hügelland haben Trockensteinmauern eine lange Tradition. Die in der Stadt der Störche angestammten Winzer haben nun die Ärmel aufgekrempelt, um sie wieder instand zu setzen. Ein viel beachtetes Projekt.

Gemeinsam angepackt (v.l.): - Ganz oben Herbert Triebaumer, Werner Unger – Vor & auf der Mauer: Hubert Weidenbacher, Kurt Feiler, Harald Tremmel, Manfred Karner, Gerhard Triebaumer, Günter Triebaumer, Johannes Nehrer, Robert Gassner, Michael Dobrovits, Markus Hammer © Markus Hammer

Rust am Neusiedler See darf in mancherlei Hinsicht als ein eigener Kosmos gelten. Das Flair des historischen Kerns der weithin berühmten Bilderbuchstadt mit ihren herrlichen Bürgerhäusern aus vergangenen Jahrhunderten, zu deren Markenzeichen die auf Schornsteinen nistenden Störche zählen, ist österreichweit einzigartig. Nicht umsonst ist die Ruster Altstadt denkmalgeschützt und ein Teil des UNESCO-Weltkulturerbes.

In nicht geringem Maße ist der Ruster Kosmos von seiner traditionsreichen Weinkultur und der von ihr geprägten Kulturlandschaft konstituiert. Weitaus weniger bekannt als das Seeufer und die wunderbaren Bauten im Zentrum ist das die Stadt umsäumende „Ruster Hügelland“, wo sich seit Jahrhunderten das Tagwerk der Weinbauern abspielt. 

Die Hütten der Hiata zeugen von langer Geschichte

Die Ruster Weinbauern, die untereinander eine schöne Gemeinschaft pflegen, sind in verschiedener Hinsicht im örtlichen Weinbauverein höchst aktiv. Ein aktueller Tätigkeitsbereich des Vereins ist die Renovierung und Wiederinstandsetzung der im pittoresken Hügelland vorhandenen Bauwerke. Bereits in neuem Glanz präsentiert sich die in der Riede Gertberg befindliche Hiatahütte, die dereinst den Ruster Weingartenhütern zum Unterstand bei Gewittern und zur Nächtigung diente.

Nicht von ungefähr befindet sich diese an einer Stelle, die auch heute noch als Aussichtspunkt geschätzt wird, galt es doch, umherstreifende Traubendiebe ausfindig und dingfest zu machen. In der Freistadt Rust war der Hüterdienst besonders wichtig, weil nicht wenige deren Bewohner in wirtschaftlicher Hinsicht vom Weinbau abhängig waren. 

Menschliche und tierische Traubendiebe

Freilich richtete sich das Augenmerk der Hiata nicht nur auf menschliche Diebe, sondern auch auf gefräßige Vögel, die es zu vertreiben galt. Am Theresientag, also am 15. Oktober, wurde in vielen Gegenden idealerweise mit der Weinlese begonnen. In Rust am Neusiedler See wurde der Termin des Lesebeginns je nach Witterung speziell festgesetzt. An diesem Tag wurde dann von den Hütern auf einem Hügel vor der Stadt um 4 Uhr morgens mit einem Lauffeuer, also durch kräftiges Schießen, „der Berg aufgeschossen“. Dieses Ritual war alljährlich der Auftakt zu freudiger Aktivität im Weingebirge.

Ganz im Unterschied zu Hiatahütten in anderen Gegenden, die oft ausgesprochen einfach gestaltet waren, weist jene in Rust sogar eine Feuerstelle mit Kamin, also durchaus einen gewissen Komfort, auf. Insgesamt vier solche Hiatahütten waren früher ab der Zeit der beginnenden Traubenreife bis zur Weinlese besetzt. 

Mit Hammer und Meißel: die Ruster Winzer greifen an!

Ein weitaus aufwendigeres Restaurierungsprojekt stellt die Instandsetzung der alten Trockensteinmauern dar. Während jene in der Wachau gut gepflegt sind und zum Reiz der Landschaft gehörig beitragen, waren die Ruster Trockensteinmauern gegen Ende des Zweiten Weltkrieges in einen erbärmlichen Zustand versetzt worden. 

Wie Günter Triebaumer, der die Wiederaufrichtung der Weingartenmauern initiiert hatte, erzählt, war das Ruster Hügelland von den bereits wankenden NS-Machthabern 1944 in den Ausbau des sogenannten Südostwalls als Verteidigungsanlage gegen die Rote Armee einbezogen worden. Dabei hatte man unterhalb von den Trockensteinmauern Panzergräben ausgehoben und solcherart weite Bereiche der Mauern destabilisiert, die dann infolge von Regen und sonstigen Einflüssen abrutschten. Nur wenige Bereiche der ursprünglich umfänglichen Mauern sind heute noch intakt.

In Zusammenarbeit mit Professor Rainer Vogler von der Fachhochschule Krems haben die Ruster Weinbauern im Bereich der Ried Plachen begonnen, die alten Gemäuer wieder instandzusetzen. Nicht wenige Winzer, darunter prominente Namen, haben sich bislang mit Hammer und Meißel in der Hand am Mauerbau beteiligt. Das Vorhaben wird sich noch über Jahre hinziehen.

Die historische Lagenklassifikation von Rust

„Innerhalb eines einzigen Jahres wurde das Werk, das unsere Ahnen über Generationen errichtet und gepflegt haben, zerstört“, sagt Günter Triebaumer. Mit diesen Mauern habe man seinerzeit nicht bloß eine Erosionssicherung bezweckt, sondern auch sinnvolle Abgrenzungen von Ruster Rieden und damit schon frühzeitig eine Art interne Klassifikation geschaffen, die bis heute stimmig sei. 

Mit der aktuell von der österreichischen Weinbaupolitik angebotenen Klassifikation könne man sich in Rust jedoch nicht anfreunden. Eine stereotype Klassifikationspyramide, die bloß wenige Prozentpunkte der Gesamtfläche eines Gebiets an Großen Lagen zulasse, sei vielleicht für manch andere Gebiete gut geeignet, für Rust mit seinen überreich vorhandenen Edellagen jedenfalls nicht maßgeschneidert, so Triebaumer.

Tradition und Selbstbewusstsein

Die Ruster Weinbauern sind sich ihrer Tradition bewusst. Ihr Selbstbewusstsein ist ihnen gewissermaßen in die Wiege gelegt. Bereits vor mehr als 500 Jahren, exakt im Jahr 1524, entrichteten die Ruster Bürger große Summen Geldes an das ungarische Königshaus, um ihre Fässer mit einem besonderen Brandzeichen versehen zu dürfen, als sichtbares Symbol für freie Warenlieferung vor allem nach Norden und Osten bis ins Baltikum. Das Ruster „R“ ist bis heute eine wertvolle Marke geblieben.

Während die Bewohner vieler anderer Gemeinden, die in der Frühen Neuzeit zum Protestantismus konvertiert waren, unter dem Joch ihrer Herrschaften zum Katholizismus zurückzukehren genötigt wurden, boten die Ruster solchen Bestrebungen die Stirn und blieben bei ihrer selbst gewählten Konfession, der sie bis heute mehrheitlich angehören. Es ist ihnen also durchaus zuzutrauen, dass sie auch die gewiss nicht geringen Anstrengungen der weiteren Mauerinstandsetzungsarbeiten zu einem guten Ende führen werden.

 

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Anfangen heißt: ans Gelingen glauben. Die bekannten Ruster Winzer Herbert Triebaumer und Kurt Feiler beim Sondieren vor dem Mauerbau. © Markus Hammer
Die renovierte Hiatahütte in der Ried Gertberg. © Johann Werfring
Günter Triebaumer beim Mauerbau in der Ried Plachen. © Markus Hammer
Das Ruster „R“ ist seit über 500 Jahren das Markenzeichen für Wein aus Rust. © Reinhard Judt