Noch nie zuvor hat die Vinaria Barolo-Degustation so viel Genuss und Freude bereitet wie jene des Jahrgangs 2017. Zum großen Vinaria Tasting wurden 91 Gewächse angestellt. Richtiggehend trinkfreudig präsentierten sich die neuen Jahrgangsvertreter in bester Struktur.

Die weithin sichtbare Libanesische Zeder des Weinguts Cordero di Montezemolo. © Alexandra Salvinetti

Wer hätte gedacht, dass ein großer Barolo bereits im Jungstadium geradezu hedonistisches Trinkvergnügen bereitet? Weitere Erkenntnis des Tastings: Barolo aus einem Hitzejahr wie 2017 erreicht auch jenen superlativen Qualitätslevel, den man nur den „klassischen“ Jahrgängen wie 2016, 2010, 2006 oder 2004 attestieren würde. 2017 war ein heißes Jahr mit trockenem Sommer, doch die Witterungsverhältnisse änderten sich rund um die Weinlese diametral: Sehr kühle Nächte prägten die Charakteristik der Weine nachhaltig.

Jahrgangs-Charakteristik 2017

2017 hat alles, was ein großer Barolo-Jahrgang braucht: Frische, Finesse und eine fruchtstarke Aromatik. Die Barolo-Weine 2017 sind ganz anders als im Vergleich zu den vergangenen Hitzejahrgängen 2015, 2011, 2009 und 2007.

Zwei markante Faktoren hatten 2017 einen entscheidenden Einfluss auf das Fruchtprofil des Nebbiolo. Da wären zuerst die qualitätsbewussten Barolo-Winzer zu nennen, die seit der ersten heißen Wachstumsperiode 2003 inzwischen optimal auf die Climate-Warming-bedingten Herausforderungen reagieren.

Der zweite Faktor: Die Reifephase verlief in allen elf Barolo-Gemeinden ohne Wetterkapriolen während der Erntezeit von Mitte September bis Mitte Oktober. In diesem Zeitfenster erreichten die Nacht-Tag-Temperaturschwankungen die höchsten Werte, gemessen im Vergleichszeitraum der vergangenen zehn Jahre, hervorgerufen durch die extrem kühlen Nächte und warmen Tage, wodurch sich die Vegetationsphase der Reben verlängerte.

Winzer halten Trümpfe in der Hand

Dies hatte zur Folge, dass die Reben höhere Säurewerte bei niedrig gebliebenen pH-Werten bildeten, zugleich verlangsamte sich die physiologische (Zucker-)Reife, die dabei mit der zeitlich später erreichten phenolischen Tannin-Reife deckungsgleich verlief.

Die Fruchtausprägung der Weine bekam eine mehr klassisch-kühlere Anmutung, was für mehr Balance in den Weinen sorgte. Mit diesem einmaligen Witterungsverlauf, der warme wie klassisch kühle Elemente in der Jahrgangsstilistik 2017 vereinte, wurden den Winzern alle Trümpfe für einen Top-Barolo in die Hände gespielt.

Die Weine der Verkostung: Dichte Spitze

Das Spitzenfeld der besten Barolo 2017 war noch nie so dicht gedrängt. Die Top 10 trennen nur 0,4 Zehntelpunkte, und in der Liste der höchstbewerteten Fünf-Sterne-Weine sind 36 Barolos von über 25 Winzern vertreten.

Ortsweine, die 2016 den Sprung weit nach vorne und sogar auf das Podest schafften, finden sich in diesem Jahr nicht: Die Ansprüche an das Terroir waren 2017 bedingt durch die Hitze fordernder als im klimatisch ausgeglichenen Jahr davor.

Giuseppe Rinaldi hat die Nase vorn

Als Vinaria Tasting-Sieger ging der beeindruckende Barolo Brunate vom Weingut Giuseppe Rinaldi hervor. Marta und Carlotta Rinaldi führen das Erbe ihres Vaters Beppe vorbildhaft weiter. Barolo Brunate ist genau genommen ein nicht ganz reiner Lagenwein von der frühreifen, vom Sandstein geprägten MGA-Cru Brunate. Barolo Brunate wird im gesetzlichen Rahmen etwas mit der MGA-Lage Le Coste ergänzt, die eine etwas kühlere mit Kalkmergel durchsetzte Lage ist und direkt an das Weingut der Rinaldi-Familie anschließt.

Fast gleichwertig in der Qualität ist den Rinaldi-Schwestern ein famoser Barolo Tre Tine gelungen, eine Komposition aus den drei MGA-Lagen Le Coste, Brunate und Ravera. Während Testsieger Brunate sich als ein duftig-finessiger Vertreter mit viel Mineralität zeigt, besitzt die Lagencuvée Tre Tine einen körperreich-vollmundigen Charakter. Beide Rinaldi-Weine sind das, was die Essenz eines großen Barolo ausmacht: kraftvoll strukturierte Weine ohne modischen Firlefanz.

B. Mascarello, Cavalotto & Gaja

Auf Platz 2 strahlt Barolo 2017 vom Weingut Bartolo Mascarello, pur und in dogmatischer Klarheit. Maria Teresa verfolgt als Traditionsweingut mit absoluter Konsequenz ihre Ausbauphilosophie der Lagencuvée, was als Ergebnis jeweils nur einen Barolo-Wein pro Jahrgang ergibt, aber dieser besitzt Kultstatus.

Die Trias der Podestplätze wird komplettiert durch die gleichrangige Wertung der beiden Top-Weine von den Familienweingütern Cavallotto aus Castiglione Falletto und Angelo Gaja. Beide Weine zeichnen sich durch ihre Einzigartigkeit aus, sind jedoch stilistisch grundverschieden.

Cavallottos Barolo aus der MGA-Monopollage Bricco Boschis glänzt mit bestechender Fruchttiefe in dunkelfruchtig-minralischer Aromatik. Das Barolo-Flaggschiff Sperss ist hingegen ein stilsicheres Meisterwerk von fruchtcharmanter Charakteristik in moderner Interpretation. „Sperss“ ist eine lokale Redewendung und bedeutet Nostalgie, eine Anspielung der Familie Gaja, die nach vielen Jahren der Absenz im Barolo-Gebiet 1988 wieder familieneigene Weingärten in Serralunga d’Alba erwerben konnte. Die Barolo-Ikone Sperss als Lagencuvée aus den MGA-Nachbarlagen Marenca und Rivette war geboren.

Phalanx an Top-Winzern

Im Ranking von knappen Zehntelpunkten folgt eine Phalanx von Top-Betrieben, die in den vergangenen Jahren immer an vorderster Stelle anzutreffen waren: unverwechselbare Gewächse kamen von Comm. G.B. Burlotto von reintöniger Finesse, von Brovia die Monopol-Lage „Brea Vigna Ca‘ Mia“, gefolgt von den durchgehend beeindruckenden Gesamtserien von Cordero di Montezemolo, Luigi Pira, Giacomo Fenocchio und Elvio Cogno.

 

Produktionsregeln

Barolo besteht zu 100 Prozent aus der Nebbiolo-Traube. Den Namen verdankt die Rebsorte dem Wort „Nebbia“, das Nebel bedeutet und sich auf den weißen Belag auf den vollreifen Traubenbeeren bezieht. Nebbiolo stellt hohe  Ansprüche an seinen Standort und gedeiht fast ausschließlich auf kalkhaltigen Mergelböden.

Barolo DOCG – Denominazione di origine controllata e garantita – DOCG ist die höchste Qualitätsstufe in der Pyramide der kontrollierten und geschützten Ursprungsbezeichnungen in Italien. Sie regelt in zahlreichen Weinbaugebieten sehr streng Produktionsrichtlinien, Rebsorten und Anbaugebietsgrenzen. Alternativ zur DOCG ist die Bezeichnung DOP (Denominazione di origine protetta) zulässig, Letztere kommt aber im Piemont praktisch nicht vor.

Anbaugebiet Barolo DOCG: elf Gemeinden südlich der Stadt Alba: Barolo, La Morra, Monforte d’Alba, Serralunga d’Alba, Novello, Castiglione Faletto, Grianze Cavour, Roddi, Verduno und Chersaco.

Fläche/Produktion: 1.800 Hektar, etwa 11 Millionen Flaschen

Höchstertrag: 8000 kg Trauben pro Hektar (mit MGA und Nennung des Weinbergs 7200 kg/ha); Mindestalkohol: 13,0 Vol.-% Vorgeschriebene Lagerzeit: 38 Monate (ab 1. November), davon 18 Monate im Holzfass (Riserva: 62, davon 18 Monate in Fässern aus Eichen- oder Kastanienholz)

 

 

Weinwissen: Barolo kompakt

Die Lagenbezeichnungen im Barolo: MGA – Menzioni Geografiche Aggiuntive

• MGA ist die Kurzform für Menzioni Geografiche Aggiuntive
(= ergänzende geografische Angaben) 

• MGA ist ein offizieller Kataster für hochwertige Lagen (Cru) in der Barolo- und Barbaresco-Zone, erstellt vom Langhe-Konsortium www.langhevini.it

• 181 MGA-Lagenbezeichnungen sind im Barolo-Gebiet erfasst

• MGA ist kein Klassifizierungssystem, wie es im Burgund, Deutschland (VDP) oder in Österreich (1ÖTW) mit „Große Lage“ und „Erste Lage“ spezifiziert wird

• MGA-Nennung auf dem Flaschenetikett ist gesetzlich nicht verpflichtend vorgeschrieben

• Subrieden innerhalb eines MGA-Crus dürfen ergänzend als „Vigna“ oder „Vigneto“ (= Weinberg) angeführt werden – Beispiel: Barolo Bussia Vigneto Bofani

• MGA-Nennungen sind auf dem Etikett nicht von Markennamen oder Fantasienamen unterscheidbar dargestellt. Das Wissen der Weincommunity um die MGA-Lagen ist also gefordert.

• MGA-Lagenkataster (kostenfrei) des Langhe-Konsortiums: www.langhevini.it

• MGA-Literatur: Standardwerk, 2 Bände (it./engl.) mit umfassender Lagendokumentation: Alessandro Masnaghetti: BAROLO MGA vol. I und BAROLO MGA vol. 2, www.enogea.it 

• MGA Virtuelle Lagenanimation: BAROLOMGA360°, www.barolomga360.it/en/contacts/

 

Topliste Barolo 2017 DOCG (Auszug)

18,5
Giuseppe Rinaldi/Barolo Brunate

18,4
Bartolo Mascarello/Barolo

18,3
Gaja/Barolo Sperss

18,3
Cavalotto/Barolo Bricco Boschis

18,2
Comm. G.B. Burlotto/Barolo Acclivi

18,2
Giuseppe Rinaldi/Barolo Tre Tine

18,2
Brovia/Barolo Brea Vigna Ca’ Mia

18,0
Cordero di Montezemolo/Barolo Enrico VI

18,0
Luigi Pira/Barolo Margheria

18,0
Giacomo Fenocchio/Barolo Villero

18,0
Guido Porro/Barolo Lazzarisco

18,0
Elvio Cogno/Barolo Cascina Nuova

17,9
Silvio Grasso/Barolo

17,9
Giovanni Sord/Barolo Parussi

17,9 
Francesco Rinaldi/Barolo Cannubi

17,9
Giovanni Sordo/Barolo Ravera

17,9 
Gianmatteo Raineri/Barolo Castelletto

17,8
Elvio Cogno/Barolo Ravera

17,8
Cordero di Montezemolo/Barolo Monfalletto

17,8
Vigna Rionda Fratelli Massolino/Barolo Parussi

17,8
Ciabot Berton/Barolo Rocchettevino

17,8
Palladino/Barolo Parafada

17,7
Luigi Pira/Barolo Marenca

17,7
Giacomo Fenocchio/Barolo Castellero

17,7
Brezza/Barolo Castellero

17,7
Guido Porro/Barolo Santa Caterina

17,7
Giovanni Sordo/Barolo Gabutti

17,7
Martini Voerzio/Barolo La Serra

17,6
Comm. G.B. Burlotto/Barolo Cannubi

17,6
Enzo Boglietti/La Morra

17,6
Fratelli Revello/Barolo Giacchini

17,5
La Spinetta/Barolo Campè

17,5
Mauro Veglio/Barolo Paiagallo

17,5
La Spinetta/Barolo Garretti

17,5
Palladino/Barolo Serralunga d’Alba

17,5
Guido Porro/Barolo Vigna Rionda 

 

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Fasskeller © Weingut Giuseppe Rinaldi
Carlotta (vorne) und Marta Rinaldi vom Weingut Giuseppe Rinaldi © Weingut Giuseppe Rinaldi
Vollreife Nebbiolo-Reben in der Lage Brunate des Weinguts Giuseppe Rinaldi © Donatella Arione
Maria Teresa (2.v.l.) vom Weingut Bartolo Mascarello mit Erntemannschaft © Weingut Bartolo Mascarello
Fabio Burlotto vom Weingut Comm. G.B. Burlotto © Weingut Comm. G.B. Burlotto
Gianpaolo Pira vom Weingut Luigi Pira © Weingut Luigi Pira
Angelo Gaja mit Familie aus Barbaresco glänzt erneut mit Barolo Sperrs 2017 © Andrea Wyner