Vinaria Verkosterdoyen Viktor Siegl hat sich in Südfankreich umgesehen und eine Reihe höchst interessanter Gewächse unter die Lupe genommen, die meisten Neu- oder Wiederentdeckungen.

Die winterliche Beschäftigung mit einer Auswahl von Weinen aus Südfrankreich, für welche die Wiener Vinothek La Cave schon seit Langem bekannt ist, war nicht nur freudvoll, sondern bescherte auch einige Neuentdeckungen. In der Appellation Bandol gibt es eine ganze Reihe interessanter Produzenten, wichtig ist aber eine gewisse Flaschenreife, damit der in der Jugend kratzbürstige Mourvèdre sein Fruchtspektrum ausspielen kann. Deshalb habe ich mich für einen 2015er Château Pradeaux entschieden und wurde nicht enttäuscht: zuerst wilde Würze, dann aber satten Fruchtkern nach Cassis und Heidelbeere hervorkehrend, ein nahezu archaischer Wein mit Tiefgang und Power, immer noch recht ungestüm.

Springen wir vom Osten in den Westen, wo die Herkunft Cahors und die Rebsorten Malbec und Tannat für ähnliche Tanninfülle sorgen. Der 2019er Le Cèdre vom gleichnamigen Weingut erwies sich nichtsdestoweniger als cremig und bereits erstaunlich balanciert, wobei die süße Frucht nach schwarzen Kirschen und Maulbeeren stets den Ton angab.

Noch zugänglicher und runder präsentierte sich der Vacqueyras Lopy der Domaine Le Sang de Cailloux: Da vermeinte man gleichsam die Hitze über den Rhône-Kieseln flirren zu spüren, und die dominante Grenache-Rebe sorgte für Salbei, Himbeeren und Orangenzesten im Verein sowie Power und fast ölige Textur. Ähnliche Harmonie, doch viel mehr Temperament verströmte der aus Mourvèdre und Syrah gebildete 2013er La Boda der viel gepriesenen Domaine d’Aupilhac, die im Montpeyroux-Gebiet individuelle Gewächse voll Spannung und frischer Säure keltert; alles in allem sehr vital und beinahe kantig sowie mit roter Beerenfrucht prunkend.

Bleiben wir noch kurz im Languedoc, wo Mas de Brousses von den Terrasses du Larzac erstaunliche Tropfen herausholt; hier ist auch Grenache im Spiel, und dennoch ist der 2018er noch rauer und kerniger. Wildbret, Rosmarin und schwarze Oliven beschwören das Flair des Südens, obschon kühle Untertöne schmeckbar werden.

Über die Vorzüge des modellhaften Châteauneuf-du-Pape von Clos des Papes ist von Vinaria schon des Öfteren berichtet worden, daher an dieser Stelle nur kurz mein Eindruck des aktuellen 2020ers: sehr klar und agil, zarte Himbeerfrucht und dezente Kräuterwürze, erstaunlich zugänglich und doch mit enormem Reifepotenzial ausgestattet – einfach ein Top-Wein aus einem kühleren Jahr. Ob man das Beaujolais schon zum Süden zählen kann, sei dahingestellt, jedenfalls sind Lyon und die Rhône nicht weit. Die organisch-biologisch arbeitenden Terres Dorées des großen Innovators Jean Paul Brun haben wieder einmal gezeigt, welche Qualität man mit den dortigen Crus erreichen kann. Der bildschöne, hochelegante Fleurie Grille Midi realisiert mit feingliedriger Struktur und süßer Kirschfrucht quasi burgundischen Fruchtcharme auf höchstem Niveau.