Der Klimawandel bringt veränderte Bedingungen für die Reben. Der Reifungsprozess gestaltet sich anders als noch vor 30 Jahren. Das hat Auswirkungen auf die Inhaltsstoffe der Trauben und damit auf die Weinstilistik.

Goldgelbe Trauben sind schön anzuschauen, aber je nach Sorte leidet die Frische. © Shutterstock

Der Klimawandel ist real. Faktum ist, dass die Durchschnittstemperaturen während der Vegetationsperiode der Weinreben in den vergangenen Jahrzehnten angestiegen sind. In der ersten Dekade des neuen Jahrtausends sahen wir für Österreich eine Steigerung um 1,1 °C im Vergleich zum Zeitraum 1961 bis 1990. In Kontinentaleuropa ist es deutlich wärmer geworden als im globalen Durchschnitt. Die genannten Temperaturdifferenzen mögen unspektakulär klingen, doch kaum eine andere Kulturpflanze reagiert auf klimatische Änderungen so sensibel wie die Weinrebe; die für eine bestimmte Herkunft gewohnte Typizität leidet. Bis zu einem gewissen Grad kann im Weingarten und im Keller gegengesteuert werden. Mit dem Ausweichen in Höhenlagen haben wir uns in der Vinaria 1/2022 beschäftigt.

Auswirkungen im Weingarten

Nicht nur tagsüber steigen die Temperaturen, auch nachts kühlt es nicht mehr so stark ab wie früher. Darunter leidet die Aromatik, die Säuregehalte sinken, was insbesondere bei Varietäten wie Riesling und Grüner Veltliner negative Auswirkungen auf die Sortentypizität hat. Trockenstress ist ein weiteres Merkmal. Auch die Intensität der UV-Strahlung macht den Weinstöcken das Leben schwer, Sonnenbrand der Beeren und in der Folge ein höherer Phenolgehalt resultieren daraus. 

Ideal ist der Lesezeitpunkt dann, wenn die gewünschte Zuckergradation und die physiologische Reife gleichzeitig erreicht werden. Letztere spiegelt die Balance aus qualitätsbestimmenden Inhaltsstoffen wie Aromen, Säure, Farbstoffen und bitter schmeckenden Phenolen in den Beerenhäuten oder der Reife der Traubenkerne und damit der Gerbstoffe wider. Durch hohe Temperaturen forcierte Zuckerreife führt zu einem zeitlichen Auseinanderdriften dieser Qualitätsmerkmale. Wenn in heißen Jahren eine Gradation erreicht ist, die einen moderaten Alkoholgehalt ergibt, ist die physiologische Reife häufig noch nicht so weit.

Von einer zu frühen Lese zugunsten der Frische ist dringend abzuraten, denn sie birgt die Gefahr des Untypischen Alterungstons UTA.

Einflussmöglichkeiten im Weingarten

Im Zuge der Photosynthese wandeln lichtabsorbierende Farbstoffe wie Chlorophyll das Sonnenlicht in chemische Energie um, die von der Pflanze zum Aufbau organischer Verbindungen benötigt wird. Die Blätter fungieren als „Kraftwerke“. Im Interesse maximaler Fotosyntheseleistung wurde vor rund 40 Jahren begonnen, die Laubwände zu erhöhen. Später setzte die Erkenntnis ein, dass diese „Luxuslaubwände“ mehr Zucker bilden als gewünscht. So gesehen war es naheliegend, deren Höhe zu reduzieren. Die bisher gesammelten Erfahrungen sind aber nicht ausschließlich überzeugend. Die häufige Kürzung der Triebe führt zu kurzen Wachstumsdepressionen, diese Wipfeldurchgänge wirken ähnlich wie Hagelschläge.

Um Sonnenbrand zu verhindern, brauchen die Beeren in heißen Jahren Schatten, und den spenden Blätter im Bereich der Traubenzone. Allerdings erschweren sie das Abtrocknen der Frucht nach Niederschlägen – die Gefahr von Pilzinfektionen steigt. Zur Vermeidung von Trockenstress bietet sich die Bewässerung von Weingärten an, aber die ist nicht überall erlaubt und bei (klimabedingtem) generellem Wassermangel zu hinterfragen.

Im Keller

In trockenen Hitzeperioden bilden Trauben weniger Hefenährstoffe. Um einer stockenden Gärung entgegenzuwirken, bietet sich die Zugabe von Hefenährstoffen an. Spontangärung wird mit steigendem Zuckergehalt in Verbindung mit milden und nährstoffarmen Mosten riskant, wobei die Spezies der gerade vorhandenen Wildhefe ebenfalls einen Einfluss hat. Allenfalls kann der Gerbstoffgehalt im Most durch kellertechnische Verfahren korrigiert oder durch gezielte Vinifikation verringert werden.

Fazit

Der Klimawandel stellt die Winzer vor Probleme, die bis vor wenigen Jahren kaum bekannt waren. Speziell weiße, an kühles Klima gewohnte Rebsorten laufen Gefahr, ihre typische Aromatik einzubüßen. Maßnahmen im Weingarten und im Keller können die klimabedingten Nachteile abfedern, auf lange Sicht werden sie aber nicht gänzlich zu vermeiden sein. Wir Konsumenten werden uns von der gewohnten Stilistik verabschieden müssen, zumindest partiell.

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Ernteausfall aufgrund von Dürre: trockene Traubenblätter im Weingarten © Shutterstock