Die Ausweitung der Anbauzonen für Wein in größere Höhen wird auch in Österreich diskutiert. Selbst in der Wachau, die ja temperaturmäßig nicht zu den Hotspots des Weinbaus zählt, haben sich früher eher wenig angesehene Rieden als Zukunftshoffnung entpuppt.

So zum Beispiel hat Toni Bodenstein vom Weingut Prager im Jahr 1990 Riesling auf dem heutigen Wachstum Bodenstein gepflanzt. Dabei handelt es sich um eine sehr hoch gelegene Riede mit kargem Gneisboden. Damals waren viele der Meinung, dass der Riesling dort nie reif werde. Mittlerweile wissen wir, dass sie sich geirrt haben. Auch der Spitzer Graben liefert heute Weine in einer Qualität, die noch vor wenigen Jahrzehnten für undenkbar gehalten wurde.

Mit der beginnenden kleinen Eiszeit vor 500 Jahren wurden in der Wachau viele Weingärten aufgelassen. Noch heute sieht man die uralten Steinmauern, die längst von Wald und Büschen überwachsen sind. Diese Flächen werden aktuell für den Weinbau wieder interessant. Im Gegenzug werden heutige Gunstlagen an Bedeutung verlieren.

Auch im Waldviertel gibt es Bestrebungen, der Leitsorte Grüner Veltliner ihre Typizität zu erhalten, indem man in bisher uninteressante Höhenlagen ausweicht. So gesehen wird das Bergland Nutznießer der globalen Erwärmung. In Tirol zum Beispiel hat sich Tarrenz, auf rund 840 Meter Seehöhe im Gurgltal gelegen, als wichtigster Weinbauort etabliert.

Der Weinhof Tangl etwa hat 2005 mit der Auspflanzung von Pinot Noir und Müller-Thurgau begonnen. Das „Meran von Nordtirol“ profitiert von warmen Tagen und kühlen Nächten, die Lese erstreckt sich in der Regel bis Ende Oktober. Und in Vorarlberg baut Gert Markowski mit Erfolg Blaufränkisch auf 630 Meter Seehöhe an.

In Südtirol hält der Gipfelsturm an

Vor zwei Jahren hat ein Hobbywinzer in der Gemeinde Stilfs auf 1.400 Metern die PIWI-Sorte Solaris ausgepflanzt. Josephus Mayr, Urgestein unter den Winzern des Landes, hat eine Versuchsanlage am Ritten über Bozen auf 1.300 Meter Seehöhe ebenfalls mit dieser PiWi-Sorte bestockt. Seit vielen Jahren setzt sich auch Werner Morandell vom Lieselehof in Kaltern mit Bergweinen auseinander; auf 1.130 Metern baut er Solaris an. In dieser Sorte sieht man Potenzial, immerhin hat das Versuchszentrum Laimburg am Ritten in der luftigen Höhe von 1.330 Metern auf Initiative der Vereinigung Südtiroler Qualitätsweinhöfe, Tirolensis Ars Vini (TAV), im Jahr 2013 eine Versuchsanlage eingerichtet; neben trockenen Weinen werden auch Süßweine gekeltert.

Nicht ganz so hoch reichen die Weingärten der Bergkellerei Passeier im gleichnamigen Tal. Die Trauben für die Cuvée Giovo – Chardonnay, Solaris und Sauvignon Blanc – wachsen bis auf 900 Meter Höhe. In kleinem Maßstab vinifiziert der Kollerhof bei Mazon Solaris, und zwar in Altrei auf 1.100 Metern über Meeresspiegel.

Noch höher hinauf mit frühreifenden Sorten

Aus den Versuchen am Ritten haben sich wichtige Schlussfolgerungen ergeben. Neue, früh reifende Rebsorten erlauben eventuell noch höhere Anbaulagen. Ein Problem könnte die vielerorts mangelhafte Wasserversorgung darstellen. Da mit dem Klimawandel nicht nur Hitzephasen einhergehen, sondern auch Kälteperioden, ist mit schwachen Jahren und sogar mit Totalausfällen zu rechnen. Will man in großer Höhe wirklich guten Wein machen, müssen Randbedingungen wie Ausrichtung, optimale Sonneneinstrahlung oder Wasserversorgung passen. In weniger guten Jahren gehen sich dann immer noch Süßweine oder Sekte aus.

Beispiele aus Südtirol

In Südtirol sind Weinreben schon länger in hohe Lagen vorgedrungen. Das Weingut Tiefenbrunner in Entiklar bei Kurtatsch beispielsweise kultiviert Müller-Thurgau seit 1972 auf der drei Hektar großen Riede Fennberg in 1.000 Meter Seehöhe. Der „Feldmarschall von Fenner“ ist das regelmäßig von der Fachpresse hoch bewertete Aushängeschild für Bergweine aus dem Land der Dolomiten. Vinaria hat den Wein mehrfach verkostet und jedes Mal festgestellt, dass diese Höhenlage eine sortentypische Rasse ermöglicht sowie für Trinkfluss und kühle Frucht sorgt.

Der Pinot-Spezialist Franz Haas in Montan ist vor mehr als 20 Jahren mit einem Teil seiner Anbauflächen in die Höhe gegangen, und zwar auf bis zu 1.150 Meter. Er betont, dass der Anbau in Höhenlagen anstrengend sei und alles andere als einfach. „Die aus diesen Lagen erzeugten Weine unterscheiden sich durch eigenständige Merkmale und sind demnach einzigartig“, so Franz Haas im Originalton.

Die Trauben für den Pinot Nero „Pönkler“ wachsen in einer Einzellage auf knapp 800 Metern. Die französischen Klone, die er hier ausgepflanzt hat, vertragen das kühle Klima sehr gut. Als outstanding ist die Ausgabe 2016 zu bewerten, ein beerenfruchtiger, feinwürziger Wein mit eleganten Gerbstoffen, frisch und spannend.

Der Griesser Hof in Vahrn im Eisacktal ist hoch gelegen. In der sandig-schottrigen, trockenen Lage Rigger auf 850 Meter Seehöhe hat Paul Huber Grünen Veltliner stehen. Der 2019er präsentiert sich ausgesprochen fruchtbetont und stoffig, der Boden verleiht dem Wein einen mineralischen Touch, die Säure ist mild und zugänglich. Dieser Veltliner lässt den Schluss zu, dass es höhenmäßig ohne Weiteres noch um einiges nach oben gehen könnte.

Vom Plonerhof bei Meran wird Solaris in einem Weingarten in Castel Annenberg auf 1.000 Meter Höhe kultiviert: Einnehmend mit hellem Steinobst, Äpfeln und Kräuterwürze, das feine Säurerückgrat gibt dem recht kräftigen Körper Struktur.

In der TAV-Versuchsanlage am Ritten wurde 2018 der erste Jahrgang geerntet. Die Verkostungskommission hielt fest, dass der „Siralos“ genannte Solaris (auf dem Etikett in Spiegelschrift geschrieben) dem Sauvignon Blanc ähnlich ist bei fester Säure und langem Abgang, die bei PiWi oft ungewohnten Aromen sind ihm fremd.

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Wolfgang Wachter

Weingarten beim Kloster Marienberg auf mehr als 1.300 Meter Seehöhe. © Weingut Calvenschlössl
Neuanlage des Weingartens beim Kloster Marienberg auf mehr als 1300 Meter Seehöhe, im Hintergrund die Berge Südtirols. © Weingut Calvenschlössl
Blick aus der Seilbahn auf den Ritten bei Bozen © Wolgang Wachter