Hohe Wellen schlägt noch immer die besoffene Grölerei von einem Haufen Partyaffen vor einem gehypten Lokal auf der norddeutschen Szeneinsel Sylt. Seither tauchen – auch in Österreich - immer mehr Handyvideos ähnlicher Vorfälle auf. Wieder einmal wird versucht, den Wirten die Schuld in die Schuhe zu schieben.

Das greift aber viel zu kurz. Schliesslich sind die Gastronomen, Hoteliers und Eventveranstalter nicht die Vormunde ihrer Gäste; noch dazu, wenn diese die Lokale bereits verlassen haben. In manchen Szenevierteln der Nachtgastronomie wird oft nicht einmal die Polizei solcher Vorfälle Herr, mit allem Pouvoir der Sicherheitsbehörde ausgestattet.

Nach den Vorkommnissen auf Sylt, die in Deutschland zur kollektiven politischen Hysterie hochgespielt wurden, tauchten ähnlich geartete Videos auch aus Österreich auf. Gepaart gleich wieder mit Vorwürfen an die Gastronomie, die durch und durch unhaltbar sind.

Das Hirn mit Sprudel und Aquavit durchgewaschen

Kurze Rückblende zu dem Vorfall vor dem Sylter Szenelokal Pony: Eine duchgeknallte, besoffene Menge offenbar überwiegend junger, gut betuchter Menschen grölte Parolen wie „Deutschland den Deutschen“ und „Ausländer raus“. Dass sich die Herrschaften zuvor das Hirn mit Sprudel und Aquavit durchgewaschen hatten, war offensichtlich, soll und darf keine Entschuldigung sein.

In den Tagen danach gingen in der deutsche Politik die Wogen hoch, bis hinauf zu Kanzler und Bundespräsident. Außenstehende müssen angesichts dieser Wellen, die kaum zu glätten waren, von einem gerade noch vereiteltem Putschversuch ausgegangen sein.

Wegen ein paar Idioten verliert Deutschland die Nerven

Die Deutschland-Korrespondentin der angesehenen Neuen Zürcher Zeitung (NZZ), Susanne Gaschke, ging dem Vorfall auf den Grund und schrieb mit fast wissenschaftlicher Präzision, kombiniert mit einer gesunden Portion Hausverstand, dazu eine lesenswerte Analyse. Titel: „Ein paar Idioten singen ein ausländerfeindliches Lied, und Deutschland verliert die Nerven“.

Tenor: Das Gegröle auf der Insel war abscheulich. Aber über die nationale Hysterie, die darauf folgte, kann man nur noch den Kopf schütteln. Susanne Gaschke fasst die Stimmung treffend zusammen: Der Staatsschutz ermittelt gegen die Sänger von Sylt. Im Internet werden diese – mit Klarnamen – an den Pranger gestellt und verlieren daraufhin teilweise ihre Jobs in der richtigen Welt. Volksfeste verbieten das ursprüngliche, völlig harmlose Lied «L’amour toujours» des Italieners Gigi D’Agostino – aus Sorge, es könnte wieder zweckentfremdet werden. Reporter besuchen den Tatort auf der Insel und schildern fassungslos, dass dort in der Abendsonne tatsächlich schon wieder entspannt Gin Tonic getrunken werde. Schlimm!“

Und weiter in der NZZ: „Das Pfingst-Gegröle war pubertär, dumm und abstossend. Es ist ein weiterer Beleg dafür, dass Betrunkene nur selten brauchbare politische Urteile von sich geben. Pubertär ist aber in diesem Kontext das zentrale Stichwort. In einer infantilisierten Gesellschaft können auch Menschen in ihren Zwanzigern noch als Pubertierende gelesen werden, so wie die hopsenden, sich selbst mit der Handykamera filmenden ‚Ausländer raus‘-Sänger von Kampen. Und was tun Pubertierende? Genau: Sie provozieren, verletzen Grenzen und wollen Erwachsene bis aufs Blut reizen. Wie aber schafft man das in einer Gesellschaft, in der weite Teile von Politik und Medien ihr linkes und grünes Weltbild absolut setzen? Ganz einfach: mit allem, was rechts ist.“

Pony-Gastronomen sind die eigentlichen Opfer

Die Betreiber des Lokals Pony in Kampen auf Sylt kommen mit der Affäre wie die Jungfrau zum Kind. Klar, sie haben sofort Lokalverbote „auf Lebenszeit“ (oder was immer damit gemeint ist) ausgesprochen, der Imageschaden ist aber enorm. Der Gastronom kommt zum Handkuss.

Den gesamten Beitrag von Susanne Gaschke in der Neuen Zürcher Zeitung gibt es zum Nachlesen im Weblink am Ende dieses Beitrages. Ebenso einen thematisch passenden Link zum Beitrag „Die Neger-Party von Krems“.