Demenz ist zu einer globalen Volkskrankheit geworden. Die Zahl der Patienten verdoppelt sich laut Hochrechnungen alle 20 Jahre. Die Behandlungskosten explodieren. Wein wirkt prophylaktisch, wenn die Dosis passt.

Der Nervenarzt Alois Alzheimer hat vor mehr als 100 Jahren die gefürchtete Demenzerkrankung entdeckt. © Shutterstock

Laut Alzheimers Disease International gab es 2018 weltweit rund 50 Millionen Demenzpatienten, für das Jahr 2030 wird mit 82 Millionen gerechnet, 2050 dürften es 152 Millionen sein. Im Unterschied zu früher wird der Symptomatik heute viel mehr Aufmerksamkeit geschenkt, ein wesentlicher Grund für die stark steigenden Diagnosezahlen. 2010 kosteten Demenzerkrankungen weltweit knapp mehr als 600 Milliarden Dollar. Im gleichen Jahr prognostizierte der Welt-Alzheimer-Bericht, dass die Kosten bis 2030 um 85 Prozent ansteigen dürften. Rund 120 Jahre nach der ersten Beschreibung typischer Symptome durch Alois Alzheimer, den „Irrenarzt mit Mikroskop“ aus Frankfurt am Main, ist die Krankheit in der Mitte der Gesellschaft angekommen.

Ursachen

Seit 1901, als sich Alois Alzheimer mit der 51 Jahre alten, hochgradig verwirrten Patientin Auguste Deter wissenschaftlich auseinandersetzte, ist viel geforscht worden, um den Ursachen der Demenz auf die Spur zu kommen und Therapien zu entwickeln. Heute weiß man, dass es mehrere Typen von Demenzerkrankungen gibt, deren Ursachen vielfältig sind.

Diverse Gründe sind möglich, wie z.B. hoher Blutdruck und Übergewicht; sie führen zu Gefäßschädigungen und in der Folge zu einer verminderten Durchblutung des Gehirns. Dadurch wird die Energieversorgung der Nervenzellen beeinträchtigt. Auch Entzündungsprozesse sind beteiligt und Störungen der Mitochondrien, das sind die Energiezentralen der Zellen, ebenso Änderungen der Genfunktion. Professor Eckhard Mandelkow, ein deutscher Physiker, der sich der Erforschung neurodegenerativer Erkrankungen verschrieben hat, fasst die komplexe Thematik so zusammen: „Das Altern ist der wichtigste Risikofaktor. Aber das Risiko kann gesenkt werden: Was gut ist fürs Herz, ist auch gut fürs Gehirn.“

Was gut ist

Eines der weltweit wichtigsten Fachblätter für Medizin, das BMJ (British Medical Journal), veröffentlichte vor ein paar Jahren eine Studie, wonach Menschen, die jahrzehntelang keinen Tropfen Alkohol anrühren, ein deutlich höheres Risiko eingehen, im Alter an Demenz zu erkranken, als moderate Trinker. Die Wahrscheinlichkeit, dass eiserne Abstinenzler an Alzheimer oder anderen Formen der Demenz leiden, sei rund 50 Prozent höher als bei Menschen mit einem mäßigen Alkoholkonsum. Abstinenzler hätten zudem ein höheres Risiko für Herzerkrankungen und Diabetes, was die These von Professor Mandelkow untermauert. Für diese Studie wurden die medizinischen Daten von mehr als 9.000 britischen Staatsbediensteten ausgewertet. Sie sei belastbar, attestierte die Johns Hopkins School of Medicine in Baltimore ihren britischen Kollegen.

Die Gesundheitsexperten der OIV (Internationale Organisation für Rebe und Wein) aus Italien, Spanien, Australien und Deutschland haben sich ebenfalls des Themas angenommen und die wichtigsten Arbeiten zu Demenz und Traubensaft bzw. Wein kritisch unter die Lupe genommen. Das Ergebnis war eindeutig: Der tägliche Konsum von 200 bis 500 Milliliter Traubensaft und/oder Wein war mit einer erhöhten kognitiven Leistungsfähigkeit verbunden, während dies bei den anderen alkoholischen Getränken nicht nachweisbar war. Daraus ist der Schluss zu ziehen, dass Alkohol mit seinen positiven Effekten auf die Blutgefäße nur eine untergeordnete Rolle spielen kann.

Phenole sind gesund

Als „Französisches Paradox“ ist die Tatsache in die Literatur eingegangen, dass Franzosen, obwohl sie stark rauchen und fett essen, seltener unter verstopften Arterien und Herzinfarkt leiden als Deutsche oder Amerikaner. Wesentlich ist die Vorliebe der Franzosen für Wein, insbesondere Rotwein. Im Zuge der Aufklärung dieses Paradoxons fanden die Forscher im vergorenen Traubensaft Polyphenole wie Quercetin, Catechin, Epicatechin und Resveratrol, die für die gesundheitsfördernden Wirkungen verantwortlich gemacht werden können. Als Antioxidantien hemmen sie die Bildung von Ablagerungen in den Blutgefäßen.

Die Wirkung von Resveratrol könnte nach Ansicht von Forschern des Georgetown University Medical Center über die Funktion eines bloßen Radikalfängers hinausgehen. Sie berichteten, dass Resveratrol Gene aktiviert, welche die Zellalterung teilweise verhindern. In Versuchen mit Mäusen konnte der Stoff das Fortschreiten von Alzheimer verlangsamen.

Resümee

Vieles spricht dafür, dass phenolische Inhaltsstoffe im Wein oder im Traubensaft eine Reihe von Vorgängen im menschlichen Organismus positiv beeinflussen – von der Stabilisierung der für Alzheimer maßgeblichen Konzentration von Beta-Amyloiden über die entzündungshemmende Wirkung bis zur Verbesserung der Elastizität der Blutgefäße. Das wirkt sich gleichermaßen positiv auf das Gehirn und auf das Herz aus. Doch es gilt der Grundsatz von Paracelsus: „Alle Dinge sind Gift, und nichts ist ohne Gift; allein die Dosis macht’s, dass ein Ding kein Gift sei.“

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