Ihren 140. Geburtstag feiert die Rebsorte Müller-Thurgau im laufenden Jahr. Die Sorte wurde 1882 vom Schweizer Botaniker Hermann Müller aus dem Kanton Thurgau aus Riesling x Chasselas de Courtillier (=Madeleine Royale) gekreuzt. Nach einer Hochblüte befindet sich Müller-Thurgau im freien Fall.

Müller-Thurgau © ÖWM/WSNA

Hermann Müller züchtete 1882 eine Weißweinsorte, die als älteste und am weitesten verbreitete Neuzüchtung galt. Er arbeitete damals als Botaniker an der deutschen Forschungsanstalt Geisenheim, heute das Zentrum der deutschen Weinforschung und -Ausbildung. Müller ging von einer Kreuzung zwischen Riesling und Sylvaner aus, konnte das Züchtungsergebnis nach seiner Rückkehr in der Schweiz aber nicht wiederholen. Generelle Zweifel an den Kreuzungspartnern stellten sich ein, ungeachtet der erfolgreichen Pflanzversuche mit der neuen Rebe.

Weinbauschule Klosterneuburg löste das Rätsel  

Bereits 1957 konnte das Fehlen von Sylvaner-Erbgut nachgewiesen werden. Die Rebsorte hatte da längst ihren Siegeszug angetreten und wurde vor allem in Deutschland und Österreich nach dem Zweiten Weltkrieg in großem Stil und in fast allen Weinbaugebieten ausgepflanzt. Nochmals wurde 1998 in der Klosterneuburger Weinbauschule in Österreich mit Hilfe gentechnischer Verfahren (Verwendung spezifischer Mikrosatelliten) der Silvaner als Kreuzungspartner ausgeschlossen. Das Ergebnis ließ auf Chasselas als Kreuzungspartner (Vater-Kandidat) schließen.

Riesling x Silvaner ist verboten

Wissenschaftler der Deutschen Bundesanstalt für Züchtungsforschung in Siebeldingen/Pfalz (Deutschland) konnten dann 1999 mit neuen, erweiterten gendiagnostischen Möglichkeiten die Herkunft der Müller-Thurgau-Rebe noch genauer bestimmen: Sie ermittelten die Rebsorte Madeleine Royale als Vater. Madeleine Royale wurde als eine Züchtung aus dem Formenkreis des Chasselas (Gutedel) angesehen, gilt aber seit einer Untersuchung aus dem Jahr 2009 als eine Kreuzung des Pinot mit dem Trollinger. Die Bezeichnung Riesling-Sylvaner ist heute untersagt, da sie irreführend ist. Laut den EU-Sortenverordnungen dürfen nur die Bezeichnung „Müller Thurgau“ oder „Rivaner“ für den Wein verwendet werden.

Rebfläche im freien Fall

Viel Aufwand für eine Sorte, die sich bezüglich ihrer Verbreitung im freien Fall befindet. Für 2015 weist Wikipedia für Österreich noch 2.807 Hektar aus, im Rebsortenverzeichnis der Österreich Weinmarketing (ÖWM) steht MüllerThurgau aktuell mit gut 1.300 Hektar auf nur noch 2,9 Prozent der heimischen Rebfläche.

Gesichert scheint zu sein, dass etwa die Hälfte der weltweit geplanzten Stöcke in Deutschland steht. Die Anbaufläche der Rebsorte Müller-Thurgau in Deutschland betrug noch vor drei Jahren 11.736 Hektar, das entspricht 11,4 % der Rebfläche. Am Höhepinkt des Booms war ein Viertel aller deutschen Weinberge mit Müller-Thurgau bestockt. Die weltweite Gesamtanbaufläche beträgt etwa 20.000 Hektar, ist generell aber in allen auspflanzenden Ländern rasch sinkend. Neben Österreich und Deutschland gilt dies auch für Tschechien, Slowakei, Ungarn und Slowenien sowie Schweiz, Frankreich (Elsass) und Luxemburg.

Most & Sturm, aber auch Prädikate

Die Sorte liefert milde Weine mit leichtem Muskatgeschmack, wird daher gerne in Form von Most, Sturm oder Primeurwein angeboten. Bei zu geringem Säuregehalt altern die Weine rasch. Prädikatsweine können hingegen ein sehr hohes Qualititätspotenzial erreichen.

Müller-Thurgau stellt an Klima und Bodenbeschaffenheit relativ geringe Ansprüche, bringt hohe und regelmäßige Erträge. Die Sorte benötigt tiefgründige Böden mit guter Wasserversorgung. Die Holzreife kann schwach sein, dadurch können häufig schon ab minus 15 °C Frostschäden auftreten. Müller-Thurgau ist sehr anfällig für Peronospora, Oidium, Beeren- und Stielfäule, Roter Brenner und Phomopsis. Gegenüber anderen Sorten ist daher verstärkter Pflanzenschutzaufwand notwendig.

Ampelografische Merkmale

Das Müller-Thurgau-Blatt ist mittelgroß, blasig, kreisförmig, fünflappig, tief gelappt mit verdrehter Mittellappe. Die frühreifende Traube ist ebenfalls mittelgroß bis groß, mitteldicht, zylindrisch mit ovalen, grüngelb gefärbten Beeren. Das Fruchtfleisch besitzt einen leichten Muskatgeschmack.

Erste Vinaria Verkostung 1982

Während der Müller-Thurgau sein 140jähriges Jubiläum feiert, freut sich Vinaria über den 40. Geburtstag. Nicht zufällig war in der allerersten Ausgabe von Vinaria – damals noch im Verein CAVE – das Thema „100 Jahre Müller Thurgau“ die Aufmacherstory und große Frühjahrs-Weinverkostung in der Vinaria Ausgabe des Jahres 1982. Im Fokus stand der tendenziell sehr schlechte Weinjahrgang 1980. Gewertet wurde bereits im 20 Punkte-System. Die Wertnoten damals, in der allerersten Vinaria Verkostung lagen zwischen 15,3 Punkte (Sieger) und 3,2 Punkte (Letztplatzierter).

Cover der Vinaria aus dem Jahr 1982 – Aufmacherstory –100 Jahre Müller-Thurga