Brettljause? Ja, schon, aber nicht nur. In der Steiermark blüht eine Szene von besonderen Buschenschänken, die neben der Klassik auch überrascht: mit Vitello tonnato mit Forellen-Kernöl-Creme oder konfiertem Schweinebauch mit steirischem Coleslaw. Und dazu Weine aus den besten Lagen.

Die bunte Buschenschankwelt im Weingut Langmann. Die klassische Jause wird neu gedacht © Anna-Stoecher

Endlich da, im Buschenschank Wölfl in Oberfahrenbach in einem ziemlich hinteren Winkel des südsteirischen Sausals. Als ob hier einer vor langer Zeit auf den Stoppschalter gedrückt hat. Das museumstaugliche Bauernhaus mit den winzigen Fenstern und den rotweiß karierten Vorhängen ist rund 200 Jahre alt. Gekocht wird auf einem gesetzten Herd, der mit Holz befeuert wird. Die legendären Forellen in der Rein werden auf der gusseisernen Platte brutzeln. Langsam schmurgeln sie – und das ist das Besondere – in Schmalz, leise knistert es vor sich hin. Das Ergebnis ist einfach umwerfend. Die flaumigen Buchtln danach reserviert man am besten gleich beim Eintreten, sonst sind sie weg. Was die Magie hier ausmacht? Josef Schilcher hat es schnell erklärt: „Bei uns is holt so, wia’s fria wor!“

Auch im Sausal, allerdings quasi im Zentrum der Region, in Kitzeck, findet man im Weingut Reiterer den ziemlich untypischsten Buschenschankwirt. Der gut gelaunte Reinmund Reiterer zeigt sich mit bunter Tätowierung und Trachtenhemd und liest Einsteigerliteratur über Quantenmechanik. „Leider habe ich sie noch immer nicht kapiert.“ Im Buschenschank serviert er mit seiner Beate auf Vorreservierung eigene geräucherte Forellen mit Wasabi, Kürbis-Curry-Creme und Feigen, Bachkrebse in Avocado-Salsa, und auch die Kernöleierspeise im urigen Eisenpfandl bleibt lange im Gedächtnis. 

Gefühlt eine Ewigkeit ist auch das Weingut Schneeberger ein Lieblingsplatz. Im Buschenschank verzücken liebevoll angerichtete, kreative Teller von Margret Reinprecht, die Tochter des Hauses. Exzellent sind vor allem die Schinken der eigenen Freilandschweine: Wacholderrohschinken, Pfefferkarree oder Kräuterkarreespeck. Weitere Tipps: Schaffrischkäse mit Bärlauchpesto, Fischsulzerl mit Kernölpesto, marinierte Hendlbrust.

Urigkeit und Design

Auch die Dichte der Buschenschänke im Schilcherland ist großartig. Lauter Wunderorte, so wie das Weingut Lazarus in St. Stefan ob Stainz. In der Früh blinzeln wir von der großen Terrasse über das panoramaartige Landschaftskino. Ein Kraftort mit meditativer Ruhe, nur die Ziege Uschi vom Nachbarn ist schon aktiv und klettert auf einen Holzpflock. Im Buschenschank werden die Weine zur klassischen Jause ausgeschenkt. Zu so einem Wohlfühlplatz gehört natürlich auch ein Wirt mit Humor dazu, so wie Walter Lazarus. 

Gleich um die Ecke liegt das Weingut von Edi Weber. Ein Schmuckkästchen mit romantischer Holzfassade, gepflegtem Innenhof mit Blumenschmuck, einer Terrasse mit weitem Blick ins Land und einem Buschenschank, der Urigkeit und einen Schuss Design harmonisch vereint. Hausherrin Susanne Weber lebt ihre Liebe zum Kochen aus. Brot bäckt sie täglich frisch und auf der Karte hat sie, was ihr gerade an kreativen Köstlichkeiten einfällt: zum Beispiel Hendlsulz oder Vitello tonnato mit Forellen-Kernöl-Creme. 

Buschenschank-Jause neu gedacht

Das Weingut Langmann in St. Stefan ob Stainz war schon immer ein Vorreiter. Gemeinsam mit Spitzenkoch Florian Dreshaj denken Stefan und seine Tochter Verena Langmann nun die Buschenschankjause neu. Der 28-Jährige bringt Erfahrung von den steirischen Vier-Hauben-Restaurants Saziani Stub’n und Pfarrhof mit und vom „Rote Wand Chef‘sTable“ in Lech am Arlberg. Die neue Speisekarte vereint Tradition und Innovation. Hausgemachtes Kimchi aus steirischem Chinakohl (schöne, feine Säure), das Rote-Rüben-Tatar mag die Milde des Schafskäses, dazu passen die eigenen Lagenschilcher, aber auch der Langmann-Sekt ist eine gute Option. Ein weiteres Highlight sind die Neuinterpretationen des Jausenbrotes. 

„Frecher Sterz“ und Gin

Die Reihe der besonderen Menschen unter den Buschenschankwirten lässt sich fortsetzen. Seniorchef Dieter Firmenich, ein Maler, ist wie seine Frau Uli für praktisch alles zuständig. Der Firmenich ist gerade erst von Ehrenhausen nach Eckberg in Gamlitz übersiedelt. Das historische Anwesen war Ulis Elternhaus, heute empfängt es Gäste mit mediterraner Leichtigkeit und familiärer Herzlichkeit. Neben dem Buschenschank befindet sich auch ein kleines, feines Boutiquehotel, die Casa Firmenich.

Herrlich abseits vom Brettljausen-Mainstream sind Leberparfait mit Traminergelee, gebackene Zwiebeltascherln mit Speckkrautsalat oder der freche Sterz mit Sauerrahm und Grammeln. Das gebratene Schweinsbrüstel muss auch sein. Dazu die hauseigenen kräftig-mineralischen Riedenweine vom Steinberg. 

Von Sohn Johannes kommt der feine „STIN – Styrian Gin“, die Brennerei ist wirklich sehenswert.  In der Manufaktur La Maison Tea Royal kreierte er außerdem mit den Brüdern Bernhard und Stefan Schauer zwei Sparkling-Tea-Produkte. Ausgewählte Tees bilden die Basis, mit Kräutern und Gewürzen wird dann noch verfeinert. 

Die Brettljause ist das Urgericht – seit 1784

Ungefähr so alt wie das Firmenich-Haus ist wohl auch die Buschenschankverordnung. 1784 legte Josef II. fest, dass jeder Weinbauer seinen eigens produzierten Wein und seine selbst gemachten kalten Speisen verkaufen durfte – die erste gesetzliche Grundlage, die sich bis heute praktisch nicht verändert hat. Das Urgericht ist die Brettljause. Da breitet sie sich also aus wie ein steirisches Himmelreich. Verhackertes und saftiges Bauernbrot gehören dazu, Schweinsbrüstl, zarter Rohschinken, von Kernöl schwarz glänzende Bohnen, cremige Aufstriche, dazu teuflisch scharfer Kren. Brettljause allein genügt der neuen Wirtegeneration allerdings nicht mehr, sie präsentiert sich lässig geschmackvoll. 

Das Polz-Comeback

Ein Comeback feierte der Buschenschank beim Weingut Polz nach monatelangem Umbau. Das Haus wurde komplett entkernt. Kein Wunder, dass Erich Polz junior ein Foto postete, auf dem er auf einem Trümmerhaufen sitzt. Der scherzhafte Text dazu: „Sollten Sie vorhaben, einen Buschenschank umzubauen, überlegen Sie es sich gut.“ Hat sich die Mühe gelohnt? Oh ja. Modern und gemütlich zeigt sich der Buschenschank jetzt, mit Kunstwerken an den Wänden, alles mit Stil. 

Die Karte ist klein, aber mit besten Produkten aus der Umgebung. Zum Tisch wird Best of Pork mit Schinken, Speck, Salami und Würstel gebracht. Oder konfierter Schweinbauch mit steirischem Coleslaw. Abseits des Üblichen sind edle französische Sardinen in Öl mit einer roten Salsa. Und erst das Brot: sehr fein! Glasweise werden Weine aus den besten Rieden wie Theresienhöhe, Obegg, Grassnitzberg und Hochgrassnitzberg ausgeschenkt. 

Ein Qualitätsfanatiker wie Erich Polz ist auch Christian Krampl, schließlich war er früher jahrelang Kellermeister im Weingut Polz. Bis er auf dem Land seiner Eltern, dem 1495 erstmals urkundlich erwähnten Gut Oberguess in Leutschach, den Weinbau übernahm. Früher gab es hier Vieh, Gemüse, Obst, sogar eine Schmiede. „Was das Schlimmste ist? Mainstream“, sagte Krampl schon vor 15 Jahren, „ich will emotionalisieren und keine Preise gewinnen.“ Dazu steht er auch heute noch. 2010 begann der Bio-Winzer mit der vorbildlichen Renovierung und dem Umbau des ehemaligen Stall- und Wirtschaftsgebäudes zu einem bildhübschen Buschenschank mit Kunst- und Bildergalerie. Unbedingt probieren sollte man den Sauvignon Blanc Ried Schlossberg und vor allem den kraftvollen, straffen Sauvignon Ried Am Walts. 

Rettet die Buschenschänke

Auch am Weingut Trummer am Obegg arbeitet einer, der etwas weiterbringen möchte. Jürgen Trummer hat schon mit 21 Jahren die Verantwortung für den Wein übernommen. Umstellung auf bio, Spontanvergärung, keine chemischen Zusätze und möglichst nachhaltig arbeiten bilden sein Fundament. Seine Eltern führen jetzt den Buschenschank. Er ist damit in der glücklichen Lage, keine „Nachwuchsprobleme“ zu haben, immer mehr Betriebe kämpfen aber damit. Deshalb setzt er sich mit anderen Jungwinzern für den Erhalt der Buschenschank ein. Am Wochenende kommen herrlich dichte Rindfleischsulz vom Tafelspitz oder gebeizter Saibling mit Rote-Rüben-Vinaigrette, Blattsalat und Topfencreme auf den Tisch. Am Schluss darf die Heidenmehltorte mit Traubenmarmelade und Schlag sein. Idealerweise sitzt man dabei auf der Terrasse mit Traumblick auf die umgebende Riede Obegg. 

Der Wandel zum Designtempel

Zum Blickfang wird immer öfter die Architektur. Vom Traditionsbuschenschank zum Architekturschaustück. Das Weingut Wutte in Fresing zeigt es vor. Wie eine Kirche erhebt sich der Buschenschank. Ein mutiger Langbau mit traditionellem Spitzdach, allerdings markant hoch und mit einer Hülle, die sich vom Boden bis zum Giebel durchzieht. Auf den ersten Blick in verwitterter Schindelholzoptik, der Effekt wird allerdings mit grau-antik gefärbten Dachziegeln erzielt. Auch in der Stube verbinden sich gestern und heute. Moderne Lampenschirme wie Blüten und Studiolampen, Wandverkleidung aus frischem Lärchenholz, glatter Steinboden, Eichentheke, historische Familienfotos, Wirtshaustische und -stühle, schmale Regale mit blitzenden Weinflaschen bis hinauf zum Giebel. Die zünftige Brettljause, die ist allerdings herzhaft wie immer.

 

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Die Karte im Buschenschank Polz ist klein und klassisch, aber auch immer wieder überraschend. © Buschenschank Polz
Die Jausen im Weingut Schneeberger gehören zu den besten der Steiermark. © Buschenschank Schneeberger
Das reich belegte Bratlsandwich im Weingut Langmann in St. Stefan ob Stainz: ein Fest für Auge und Gaumen. © Weingut Langmann