Wie eine Bombe schlug in Bordeaux die Nachricht ein, wonach das weltbekannte Château Angelus wegen eines erbitterten Streits unter den beiden Zweigen der Eigentümerfamilie unter gerichtliche Zwangsverwaltung gestellt wurde. Das Handelsgericht Libourne hat dazu einen vorläufigen Insolvenzverwalter ernannt.

Stéphanie de Boüard-Rivoal ist über ihre Holdinggesellschaft größte Aktionärin von Château Angelus. Ihre Funktion als Generaldirektorin ruht während des Mandats des Zwangsverwalters. © Boris Allin-Fisheye

Eine neue Folge von „Dallas“ oder „Dynasty“ in Saint-Émilion rund um Château Angélus: Um die Pattsituation zwischen den scheinbar unversöhnlichen Familienzweigen unter den Aktionäre zu überwinden, hat das Handelsgericht Libourne einen vorläufigen Insolvenzverwalter ernannt, der die Beziehungen glätten und versuchen soll, diese wieder in Ordnung zu bringen. Damit Château Angelus keinen nachhaltigen Schaden durch seine Eigentümer erleidet.

Um die Scherben einer zerbrochenen Familie nach Möglichkeit wieder zusammenzufügen, ernannte ein Richter des Handelsgerichts Libourne Sylvain Hustaix zum vorläufigen Verwalter von Château Angélus (130 Hektar Rebfläche, davon 65 Hektar in Saint-Émilion). Das Château ist 2022 aus der Klassifizierung von Saint-Émilion ausgetreten und daher im Moment kein Grand Cru Classé mehr. 

130 Hektar erstklassige Rebflächen

Der für eine verlängerbare Amtszeit von vorerst 12 Monaten ernannte Verwalter muss „die Aktionärszweige der Familie zusammenbringen, um eine dauerhafte Unternehmensführung zu etablieren“ und versuchen, die Streitigkeiten zwischen den Aktionärsgruppen aus den beiden Familienzweigen gütlich beizulegen. An dem Konflikt sind Mitglieder der zweiten und dritten Generation beteiligt, die dem Gründer von Angelus, Maurice de Boüard, nachfolgen, der drei Söhne hatte: Jacques, Christian und Alain de Boüard. 

Die aktuellen Spannungen betreffen den Zweig von Hubert de Boüard de Laforest (Sohn von Jacques de Boüard und maßgeblich am Aufstieg von Château Angelus in den vergangenen zwei Jahrzehnten beteiligt) sowie die Zweige Grenié de Boüard und Kellerson (Nachfahre von Christian de Boüard). Thierry Grenié de Boüard aus dem letztgenannten Zweig war kurzzeitig stellvertretender Generaldirektor von Angélus (2016–2019). Seit 2012 leitet Stéphanie de Boüard-Rivoal Château Angélus und hat damit die Nachfolge ihres Vaters Hubert de Boüard angetreten. Nach der Ernennung des Zwangsverwalters bleibt sie weiterhin als Angestellte mit der Leitung des Weinguts verbunden und arbeitet gleichzeitig als beratende Önologin in Bordeaux und auf der ganzen Welt.

Erbitterter Streit seit Jahren, erfolglose Schlichtungen

Spannungen zwischen den beiden Zweigen haben dazu geführt, dass die Leitungsorgane (Aufsichtsrat und Vorstand) auf der Hauptversammlung am 23. Februar 2025 nicht ernannt werden konnten. „Der Streit zwischen den beiden Aktionärsgruppen dauert seit mehreren Jahren an, ohne dass trotz verschiedener Schlichtungsversuche eine Lösung gefunden wurde“, so das Gericht im Zuge der Bestellung eines Insolvenzverwalters. Daraufhin wurde das Ende des Vorstandsvorsitzes von Stéphanie de Boüard-Rivoal und des Aufsichtsratsvorsitzes von Philippe Kellerson gerichtlich verfügt.

Stéphanie de Boüard-Rivoal, die sich über ihre Holdinggesellschaft als größte Aktionärin von Château Angelus ausgibt, meinte, der Entscheid des Gerichts sei die Folge einer Blockade der Unternehmensführung im Rahmen eines Aktionärsstreits. Das Mandat des Insolvenzverwalters könne enden, sobald eine Lösung für den Streit zwischen den Familienzweigen gefunden sei. Vorerst wird die operative Verwaltung weiterhin von den Angélus-Teams unter Stéphanie de Boüard-Rivoal und Hubert de Boüard de Laforest wahrgenommen.

Hubert de Boüard erklärte gegenüber dem französischen Fachmedium Vitisphere: „Wenn Positionen schwer zu vereinbaren sind, können das Leben und ein externes Mitglied die Situation lösen. Die Ernennung eines Verwalters vereinfacht die komplizierte Familienverwaltung aufgrund mangelnder Einigkeit erheblich. Die Hauptversammlungen verlaufen entspannter als noch vor sechs Monaten. In den 40 Jahren, die ich im Unternehmen bin, war es nie sehr einfach.“

Die Ernennung eines Insolvenzverwalters durch Angélus löste in Bordeaux eine Welle an Gerüchte aus. Ins Gerede kommt dabei auch die finanzielle Verfassung des ehemaligen Cru Classé. Für das Management steht aber außer Frage: das Weingut bleibt nach einer erfolgreichen Primeur-Kampagne trotz des wirtschaftlichen Klimas solide. Angélus hat in den vergangenen Jahren in ein globales Vertriebsnetz investiert. Im Finale befinden sich die vor vier Jahren begonnenen Arbeiten an seinem neuen Schwerkraftkeller.

„Stéphanie de Boüard ist eine willensstarke Frau, die das Ruder mit Entschlossenheit, Disziplin und Präzision in der Hand hält, ohne dass die Ergebnisse den Grenier-Familienzweig völlig verärgern könnten“, analysiert ein Kenner der Familie.

Quelle: Vitisphere.com; Redaktion

Der Aufstieg von Château Angelus begann mit der A-Klassifizierung im Jahr 2012. Nach einem Streit trat man aus der Klassifiierung 2022 wieder aus. © Vitisphere.com, Alexandre Abellan
Château Angelus in Saint-Émilion mit dem berühmten Glockenturm, der auch am Etikett abgebildet ist. © Deepix
Das weiße Pferd zählt ebenfalls zum Mitarbeiterteam auf Château Angelus. © Alexis Cottin
Alexandre Baumard und Stéphanie de Boüard-Rivoal © MICHAEL BOUDOT-MKB PHOTOS
Stéphanie de Boüard-Rivoal © Nicolas Seurot
Weltberühmtes Etikett © Millésima
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