Vinaria besuchte die bezaubernde Provence in Südfrankreich und dort die besten Referenzbetriebe, blickt hinter die Kulissen und stellt deren beste Weine mit Jahrgangstiefe vor.

Offene Maischegärung: Umpumpen (Remontage) von Most auf den Tresterhut © Domaine de la Janasse

Châteauneuf-du-Pape ist eine nach dem gleichnamigen Ort in der südlichen Rhône benannte große wie berühmte Appellation. Würdevoll ist ihr historischer Name, der so viel heißt wie „Neues Schloss des Papstes“. Hier entstehen fast nur Rotweine, die in der Top-Liga weltweit als Benchmark für kraftvolle Weine gelten.

In den vergangenen Jahren ist Bewegung in die Appellation gekommen. Die Rotweinstilistik tendiert – trotz Global Warming – zu mehr Fruchtbalance anstelle von Kraftpaketen. Und die bis dato unter dem Wahrnehmungsradar liegenden Châteauneuf Les Blancs machen neuerdings Furore, und das bei hohen Alkoholwerten und in verfügbaren Mini-Mengen.

Le Rouge: Die Kunst der Châteauneuf-du-Pape-Cuvée

Châteauneuf-du-Pape steht für kraftvolle Weine, und wenn wer von dieser Appellation spricht, so sind hier die Rotweine gemeint. Diese spielen tatsächlich die Hauptrolle, besitzen sie doch mit 93 Prozent Mengenanteil förmlich ein Alleinstellungsmerkmal. Die Weißweine sind hier die Underdogs, haben in neuerer Zeit jedoch ein beachtliches Renommée erhalten: so viel Fruchttiefe, Finesse, und das bei Alkoholwerten, die klimatisch bedingt nie unter 13 Volumenprozent liegen; sie haben wahrlich Vorbildcharakter. Feinste Balance, Frische und Herkunftsspezifität, ohne die Gerbstoffe zu verleugnen, aber als komplementäre Strukturstütze gesamtheitlich integriert, zeichneten die besten Les Blancs aus.

Bei den Les Rouges bildet die Grenache (Noir) die Hauptrebsorte, wie fast überall an der südlichen Rhône. Sie hat in den meisten Cuvées einen Anteil von 60 bis 90 Prozent. Die übliche Rotwein-Mischung ist Grenache Noir (50 bis 70 Prozent), Mourvèdre (zehn bis 30 Prozent), Cinsaut, Counoise, Syrah und Vaccarèse (gemeinsam bis 20 Prozent), Nur wenige Weingüter wie zum Beispiel Clos des Papes oder Château de Beaucastel verwenden alle zugelassenen Rotweinsorten in ihrer Cuvée.

Auch wenn der Anteil der Komplementärsorten im prozentuell geringen Sortenanteil liegt, so erfüllen sie eine nicht unwesentliche Funktion, die bereits in der traditionell-historischen Vinifizierung erkannt und heute zurecht hoch geschätzt wird. In der Summe entscheiden sie mit ihren jeweiligen Eigenschaften über die Charakteristik des Weines. Gerade in der sich verstärkenden Klimaerwärmung erhalten bisher unbeachtete Rebsorten durch ihre Merkmale neue Bedeutung: Wir haben hier alle Spielarten: Terret Noir ist eher blumig, Vaccarese etwas scharf, Cinsault ist leicht aggressiv mit hoher Säure, ebenso Counoise.

Châteauneuf-du-Pape wäre keine große Rotweinregion, wenn die Spitzenbetriebe keine Bewältigungsstrategie hätten gegen die zunehmende Sommerhitze bei dem gleichzeitigen Trend, in kräftigen Rotweinen auch Balance und Frische vorzufinden. Längst Geschichte sind die Zeiten, als Robert Parker Ende der 1980er-Jahre das Châteauneuf-Gebiet wachgeküsst und die dickfruchtig-alkoholreiche Stilistik für den Weltmarkt salon- und kommerzfähig machte. Eine Antwort der Winzerinnen und Winzer darauf ist, für Top-Cuvées lediglich Trauben aus den „kühleren“ Lagen oder Weinsorten mit späterer Traubenreifung zu verwenden. Weitere Schritte in der „Verfeinerung“ der Frucht-Frische-Balance unternahmen die Betriebe im Weingartenmanagement sowie in önologischen Belangen. In diesem Umdenkprozess spielte der im südlichen Rhonetal sehr einflussreiche Top-Önologe Philippe Cambie eine wichtige Rolle. Er hatte eine Vielzahl von bedeutenden Winzern beraten und ist leider im vorigen Jahr kurz vor seinem 60. Geburtstag verstorben.

Die großen Jahrgänge des 2000er-Jahrzehnts wie 2010, 2011, 2016, 2018, 2019 und 2020 (mit etwas mehr Frische als der Vorgängerjahrgang) zeigen diesen sanften Trendwechsel zu mehr Balance und Fruchtfrische, ohne dabei Dichte und Kraft aufzugeben. Grosso modo lässt sich feststellen: So homogen und zugleich mit so viel Charme wie jetzt haben sich die roten Cuvées der Top-Betriebe in Châteauneuf noch nie präsentiert.

Le Blanc: Sanfte Revolution in Finesse und Balance

Ein Problem im Châteauneuf-Gebiet sind die zunehmend heißen Sommer, die sich besonders auf die Herstellung der Weißweine auswirken. Im Top-Segment erwartet man sich zur Fruchtfülle eine adäquate Frische und Finesse, die alles in Balance halten. Anders als bei Weißweinen aus kühleren Regionen, wie zum Beispiel aus dem Jura, die häufig nur elf bis zwölf Prozent Alkohol haben und deshalb en vogue sind, haben Weißweine aus mediterranen Regionen klimatisch bedingt einen Nachteil: Sie leiden unter zu viel Alkohol und generell an Säuremangel.

Doch die Verkostung bei den Top-Betrieben zeigte das genaue Gegenteil: Das Thema Alkohol spielt beim Châteauneuf Le Blanc eine Nebenrolle. Das Kriterium ist die Balance, und die präsentierte sich in ganz einmaliger Konstellation. Bereits zu Beginn bei der Traubenverarbeitung achten die Winzer zusehends auf feine Gerbstoffe, die als strukturgebender Faktor zusehends zur mineralischen Finesse und Frucht für eine erhöhte Balance sorgen.

In den vergangenen Jahren wurde der Sortenmix zugunsten der stärkeren Verwendung der Sorten Clairette und anderer Komplementärsorten modifiziert, die den Vorteil haben, durch kräuterfruchtige Lebendigkeit und zum Teil durch spätere Traubenreife mehr Frische und damit Finesse beizusteuern. Counoise zum Beispiel ist eine Rebsorte, die zwar nicht viel Tiefe mitbringt, die als Teil einer Cuvée aber das Quäntchen Frische beisteuert, die Grenache häufig fehlt.

Vom Geschmacksbild her erinnern die weißen Châteauneuf-du-Papes an Holunderblüten, weiße Pfirsiche und kandierte Ananas und zeigen zur feinen Würze mitunter dichte erdige Aromen. Analog zu den roten Châteauneuf-du-Papes, die sich in der Primärphase mit Fruchtfrische vorzüglich präsentieren, zeigen die besten Weißweine erst im Reifestadium – und das nach mindestens zehn bis zwölf Jahren – mit mineralischer Finesse, Vielschichtigkeit und Balance ihre wahre Stärke und Prachtentfaltung.

Nicht zu unterschätzen sind auch jene Weißweine, die vor allem Verfechtern von Kraft und Cremigkeit Freude bereiten. Hauptrebsorte ist hier Roussanne, eine Rebsorte, die viel reife Fruchtaromatik in den Wein transportiert. In dieser Stilistik sind hier zwei außergewöhnliche Vertreter zu nennen: Der Blanc Cuvée A Tempo von der Domaine du Pegau, im traditioneller Rebsortencuvée und der reinsortige Blanc Roussane Vieilles Vignes von Château de Beaucastel gehören zum Besten, was Châteauneuf an kräftigen Weißweinen zu bieten hat.

Châteauneuf-du-Pape: Böden und Klima

Ihren besonderen Ruf hat die Appellation durch Terrassen von sehr kargen und steinigen Böden erworben, deren Unterboden aus kalkreichem Tonmergel besteht. Viele Zonen weisen eine Oberschicht aus hellbeigen, fast faustgroßen Rollkieseln aus Quarzit (genannt: Galets roulés) aus. Die Galets sind eine Art Visitenkarte in der Weinlandschaft. Sie wurden während der Eiszeiten von der Rhône aus dem Norden kommend auf den Bodenformationen des Sekundär und Tertiär abgelagert.

Die Galets beeinflussen das Geschmacksbild des Weines nicht primär: sie haben die Funktion, die Erosion durch den starken Mistral zu verhindern, und speichern die Hitze der Sonne, die nachts als Wärme wieder abgegeben wird. Zugleich speichern sie auch Feuchtigkeit auf ihrer Unterseite. Die für den Geschmack wichtigen Unterböden enthalten viel Ton und Eisenoxide (rote Färbung) und sind für die Wasserspeicherung entscheidend. Auf diesem Terroir der Galets entstehen besonders kraftvolle Weine mit feinkörnigen Tanninen. Die berühmteste Lage ist das Hochplateau La Crau im Nordosten der Appellation.

In Ergänzung gibt es dazu die Sandböden, die vor allem im nördlichen Teil der Appellation anzutreffen sind. Weine vom Sand-Terroir und vom „safre“ genannten, weichen Sandstein entwickeln viel Finesse, Harmonie und feinkörnige Tannine.

Das Klima ist mediterran, trocken und heiß. An 130 Tagen im Jahr weht der Mistral, ein kalter, trockener und oft starker Fallwind, der die Weintrauben schnell trocknet und gegen Pilzbefall schützt.

Ebenso typisch sind die als Garrigue bezeichneten Buschformationen auf flachgründigen Böden, die den Weinen erdige Töne mit herben Pflanzenaromen verleihen.

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Traubensortierung (Tri Raisin) auf der Domaine de la Janasse © Olivier Guerrin
Grenache-Rebe mit den berühmten Galets roulés © Serge Chapuis