Hatte der Gemischte Satz einst als zumeist einfacher Schankwein vor allem in Wiener Buschenschenken überlebt, so feierte er ausgehend von den führenden Wiener Weingütern eine erstaunliche Renaissance. Die Vinaria Verkostungs-Premiere ermittelte die besten Gemischten Sätze.

Julia und Roland Kroiss, Sieger der Verkostung Gemischter Satz © Steve Haider

Bis in die Zwischenkriegszeit war es in Österreich – und in den meisten anderen Weinbauländern – selbstverständlich, auch die Weine aus den besten Herkünften aus einem Gemischten Satz zu gewinnen, also die Trauben aus einem Weingarten, in dem die Rebsorten gemischt ausgepflanzt waren, gemeinsam zu lesen und keltern.

Der daraus resultierende Verzicht, einzelne Rebsorten herauszulesen, bildet den wesentlichen Unterschied zur üblichen Cuvée, bei der sortenrein geerntete Jungweine später in einem bestimmten Verhältnis wieder zu einem Blend zusammengefügt werden.

Der Pflege des gemischten Allerleis lag wohl die Überlegung zugrunde, eine gewisse Risikominimierung zu betreiben, um auch in Zeiten, in denen der Pflanzenschutz und die Schädlingsbekämpfung noch in den Kinderschuhen steckten, möglichst gesicherte Erträge zu erzielen, gleichsam eine Form der bäuerlichen Ausfallversicherung, wie sie auch in anderen landwirtschaftlichen Zweigen betrieben wurde.

Im Vordergrund stand somit die Herkunft und nicht eine Reifestufe oder Rebsorte – in den Gasthäusern und Weinschenken wurden keine Spätlese und kein Veltliner verlangt, sondern ein Nussberger, Brünnerstraßler oder Ruster.

Die große Zäsur kam dann, als nach dem katastrophalen Frostjahr 1956 die rasche Hinwendung zur Hochkultur erfolgte, mit der die maschinelle Bearbeitung der Rebzeilen erst ermöglicht wurde. Gleichzeitig mit der Aufgabe der Stockkulturen wurde auch die sortenreine Auspflanzung Usus. Waren im Jahr 1969 noch rund ein Drittel der burgenländischen Rebfläche und die Hälfte der Wiener Weingärten im Gemischten Satz ausgesetzt, so waren es nach den letzten statistischen Erhebungen nur mehr 1,4% der österreichischen Weinbaufläche oder bloß 671 Hektar.

Die Renaissance der Wiener Top-Weine

Nach Jahren der Stagnation und Ratlosigkeit war zu Beginn dieses Jahrhunderts endlich Aufbruchstimmung in Wien spürbar, die später dann von der 2006 formierten „WienWein“-Gruppe, in der die führenden Betriebe vereinigt waren (und noch immer sind), entscheidend getragen wurde.

Wichtige Faktoren waren zweifellos die Übernahme des Traditionsbetriebes Mayer am Pfarrplatz durch den erfolgreichen Investor Hans Schmid, dessen Team die von Doyen Franz Mayer schon immer gehegten und gepflegten, mit Gemischtem Satz ausgepflanzten Spitzenlagen des Nussberges zu neuen Spitzenleistungen nützte, und der Erwerb von ebensolchen Rieden durch den Stammersdorfer Winzer Fritz Wieninger, der von Anfang an auf Premium-Weine setzte.

Ein bedeutender Erfolg der Wiener Proponenten war sicher auch die Implementierung des Wiener Gemischten Satzes mittels Verordnung im österreichischen Weinrecht (DAC). Seither ist in sinnvoller Weise genau definiert, was einen Wiener Gemischten Satz ausmacht, und auch die Dreiteilung nach Standardwein ohne Lagenangabe, Großlage und genaue Riedbezeichnung ist damit vorgegeben. Österreichweit wurde eine vergleichbare Regelung bis dato noch nicht getroffen.

Lagenweine versus Sommerweine

Wenn man die Ergebnisse der diesjährigen Vinaria Verkostung betrachtet, wird die Dominanz der Wiener Gemischten Sätze augenfällig, die allerdings wohl so zu erwarten war. In erster Linie war dafür der Umstand verantwortlich, dass die Wiener Betriebe die erwähnte Dreiteilung zumeist voll nützen und demgemäß einen Gemischten Satz ohne nähere Herkunftsangabe, einen mit der Zusatzbezeichnung einer Großlage wie Nussberg, Bisamberg oder Maurerberg und schließlich einen oder mehrere mit genauer Riedenbezeichnung à la Preussen, Rosengartel oder Wiesthalen ins Rennen schickten.

Ganz anders war die Situation bei den Gemischten Sätzen aus den übrigen Weinbauregionen: Hier kamen beinahe 80% aus dem jüngsten Jahrgang, 2021.

Viele dieser Weine waren nur aus zwei Rebsorten zusammengesetzt. Es gab aber auch einige sehr schöne anders geartete Gewächse aus Niederösterreich, die den Wiener Lagenweinen ganz gut Paroli boten.

Dazu zählten vor allem der uralte Gemischte Satz der Domäne Wachau, der überaus fruchtbetonte Mischsatz des aufstrebenden Perchtoldsdorfer Betriebes Drexler & Leeb, der kraftvolle, noch ganz am Beginn stehende Lagenwein aus der Hagenbrunner Riede Aichleiten von Rudolf und Anita Schwarzböck und die grundsoliden, standfesten Weine von Fink & Kotzian.

Überraschung an der Spitze

An der absoluten Spitze gab es insofern eine kleine Überraschung, als diese nicht die favorisierten Weine aus den berühmten Nussberger Einzellagen einnahmen, sondern ein Trio aus Neustift, vom Bisamberg und Maurerberg vorne lag. Der strahlende Sieger vom Weingut Kroiss, das den letzten richtigen Heurigen im einst florierenden Weinbauort Sievering vorbildlich führt, kommt von der Ried Hackenberg, die mittlerweile als auf allen Seiten von Kleingartensiedlungen umschlossene Enklave anzusehen ist. Sie ist übrigens auch die Herkunft für den Kroiss’schen Zweigelt, der den Status des Wiener Landessiegers so gut wie gepachtet hat.

Der fulminante, punkto Fruchtbrillanz in einer eigenen Liga spielende Mischsatz von Kroiss besteht aus fünf Rebsorten: Grüner Veltliner, Sauvignon Blanc, Weißburgunder, Roter Veltliner und Traminer bilden die durchaus ungewöhnliche Melange, aus der heuer der offenbar sehr reife Sauvignon noch hervorsticht.

Danach kamen ex aequo zwei grundverschiedene, hochklassige Kreszenzen, nämlich der hochelegante, vor Steinobstfrucht überquellende Wiesthalen von Rainer Christ und der mächtige, geradezu burgundisch angelegte Sätzen von Michael Edlmoser – beides zweifellos Vins de garde, die noch eine große Zukunft vor sich haben, und das aus dem Jahr 2020, das in Wien gleichwohl besser ausfiel als im gesamtösterreichischen Schnitt.

Topliste Gemischter Satz (Auszug)

17,6  Weingut Kroiss | 2021 Wiener Gemischter Satz Ried Hackenberg WI

17,5  Weingut Christ | 2020 Wiener Gemischter Satz Ried Wiesthalen 1ÖTW WI

17,5  Weingut Edlmoser | 2020 Wiener Gemischter Satz Ried Sätzen 1ÖTW WI

17,3  Franz-Michael Mayer | 2021 Wiener Gemischter Satz Ried Langteufel WI

17,3  Weingut Cobenzl | 2019 Wiener Gemischter Satz Ried Steinberg 1ÖTW WI

17,3  Weingut Wieninger | 2019 Wiener Gemischter Satz Ried Ulm 1ÖTW WI

17,2  Weingut Edlmoser | 2019 Wiener Gemischter Satz Ried Himmel 1ÖTW WI

17,2  Rotes Haus | 2020 Wiener Gemischter Satz Ried Preussen 1ÖTW WI

17,2  Mayer am Pfarrplatz | 2019 Wiener Gemischter Satz Ried Langteufel 1ÖTW WI

17,1  Fuhrgassl-Huber | 2020 Wiener Gemischter Satz Ried Gollin 1ÖTW WI

17,0  Mayer am Pfarrplatz | 2019 Wiener Gemischter Satz Ried Preussen 1ÖTW WI

16,7  Weingut Wieninger | 2020 Wiener Gemischter Satz Ried Rosengartel 1ÖTW WI

16,5  Weingut Edlmoser | 2020 Wiener Gemischter Satz Ried Himmel-Maurerberg 1ÖTW WI

16,5  Weingut Wieninger | 2019 Wiener Gemischter Satz Ried Rosengartel WI

16,5  Domäne Wachau | 2021 Gemischter Satz Smaragd WA

16,5  Weingut Schwarzböck | 2021 Gemischter Satz Premium Ried Aichleiten NÖ

 

Abo bestellen – Bestellen Sie Vinaria jetzt einfach & bequem zum Erscheinungstermin nach Hause. Das Jahresabo Vinaria mit 7 Ausgaben pro Jahr inklusive dem Vinaria Weinguide ist um € 55,00 (EU-Ausland € 69,00) erhältlich. Jetzt im Vinaria Abo-Shop bestellen.

Rainer Christ, Platz 2 der Verkostung Gemischter Satz © Thomas Hantke
Michael Edlmoser, Platz 2 der Verkostung Gemischter Satz © Weingut Edlmoser
Franz-Michael Mayer © Weingut Franz-Michael Mayer
Thomas Podsednik vom Weingut Wien Cobenzl
Fritz Wieninger © Raimo Rudi Rumpler
Gerhard Lobner vom Weingut Rotes Haus und Mayer am Pfarrplatz © Steve Haider