Der Wein mit dem langen Atem: Wenn im Laufe von drei Jahrzehnten bei Degustationen immer die gleichen Ergebnisse zustande kommen, dass sich nämlich die Weine ein- und desselben Winzers als besonders ausbaufähig erweisen, dann könnte das ein Wein des Kremstaler Spitzenwinzers Martin Nigl sein.

Der Raritätenkeller des Weinguts Nigl birgt zahlreiche gereifte Schätze. © Weingut Nigl

Martin Nigl – von Vinaria seit langem mit der Höchstwertung von 5 Kronen für seinen Betrieb ausgezeichnet - ist es mit seinen Veltlinern und Rieslingen aus den Lagen Pellingen und Hochäcker gelungen, beim Thema „Gleicher Winzer, gleicher Wein, gleiche Lage – jeweils zwei mindestens zehn Jahre auseinanderliegende Jahrgänge“ bei diesen Paarungen mit den reifen Weinen permanent das Siegerkrönchen einzuheimsen. Grund genug für Vinaria, Martin Nigl zu einer Jahrgangsvertikale ebendieser Weine einzuladen.

Der erfolgreiche wie sympathische Vorzeigewinzer aus Senftenberg im Kremstal, ließ sich nicht zweimal bitten und öffnete für Vinaria 24 Jahrgänge seines Top-Veltliners aus der Ried Pellingen. Die steile Terrassenlage, die nur durch eine kleine Mauer von ihrem Nachbarn, dem mit Riesling bepflanzten Hochäcker, getrennt ist, zählt mit ihren auf einer Höhe von 250 bis 315 Metern liegenden, nach Süd-Südwest exponierten kargen Glimmerschiefer-Böden sowie den 35 bis 45 Jahre alten Rebanlagen zu den Spitzenrieden der Region und wurde von den Österreichischen Traditionsweingütern als Erste Lage definiert.

Späte Lese, Ausbau in Akazienfässern und lange auf der Hefe

Die durchschnittliche Lesemenge liegt je nach Jahrgangsverlauf zwischen 3.500 und 4.000 Litern pro Hektar, gelesen wird nach Erlangung der physiologischen Reife, also immer relativ spät, in manchen Jahren sogar sehr spät. 2023 etwa wurden die letzten Trauben am 24. November eingebracht. Ausgebaut wird in traditioneller Weise in großen, 2.500 Liter fassenden Akazienfässern, teilweise unter vorübergehender Einbeziehung von Stahltanks. Nach langer Verweildauer auf der Hefe erfolgen dann der Abzug und die anschließende Flaschenfüllung in den Monaten Mai und Juni des Folgejahres.

Das Weingut Nigl ist ein klassischer Familienbetrieb, in dem derzeit drei Generationen am Werken sind. Hauptverantwortlich sind Martin Nigl und sein gleichnamiger Sohn, letztlich werden aber alle Entscheidungen im Kollektiv getroffen. „Den Pellingen hat mein Vater Josef schon seit 1973 bewirtschaftet“, erzählt der engagierte Senftenberger. Das war lange bevor man 1994 den alten Lesehof des Fürsten Starhemberg aus dem 12. Jahrhundert einschließlich großer Teile des Weinguts übernahm. Seither haben sich zum liebevoll restaurierten Gebäude ein Hotel und ein Restaurant gesellt, in dem Sohn Bertram sehr erfolgreich den Kochlöffel schwingt.

24 Jahrgänge, die meisten mit 4 und 5 Sternen

24 Jahrgänge standen zur Degustation bereit – verkostet haben, gemeinsam mit Martin Nigl (dem Senior), Chefredakteur Peter Schleimer und Bernulf Bruckner, Autor dieses Beitrags. Bei der Verkostung wurde die „klassische“ Reihenfolge von jung bis reif gewählt. Fast alle Weine zeigten sich von ihrer besten Seite und ließen nur wenig Kritik zu. Das kam nicht zuletzt dadurch zum Ausdruck, dass wir keinen Wein unter 15,5 Punkten werten mussten, was drei Sternen entspricht. Das Gros aller Proben bewegte sich eindeutig darüber im Bereich von vier bis fünf Sternen.

Interessant ist, dass Martin Nigl bereits ab dem Jahrgang 2003 auf den Schraubverschluss umstieg – die ersten beiden Jahre noch parallel zum Kork, ab 2005 wurde dann nur noch per Schrauber verschlossen. Das blieb auch so für 14 Jahre, doch seit 2019 gibt es wieder beide Verschlussarten im Haus. „Ich brauche das für die Gastronomie und für diverse Exportmärkte“, begründet er diese zweifellos etwas unkonventionelle Vorgangsweise.

Highlights aus 2021, 2019, 2009, 2005, 1998 und 1997

Die Highlights der Probe stellten sich zunächst erwartungsgemäß mit den großen Jahrgängen ein, so wurde 2021 seiner Reputation vollauf gerecht, punktete vor allem mit Fruchtbrillanz und enormer Tiefe, glänzte aber auch mit prononcierter Mineralität. Fast ebenbürtig dann ein hedonistischer, tief mineralischer Gaumenschmeichler von 2019 sowie das wunderschön gereifte Veltliner-Prachtstück des Jahrgangs 2009. Bei den reiferen Jahrgängen lieferte der feinstrahlige und hochelegante 2005er die erste große Überraschung. Den krönenden Abschluss bildeten dann freilich zwei veritable Veltliner-Legenden, einmal der von reifen, teilweise eingetrockneten Beeren geprägte, dennoch vollkommen klar und präzise strukturierte Wein von 1998, zum Zweiten der anfangs schüchterne 1997er, der mit jeder Minute im Glas an Format gewann und sich zum grandiosen Veltliner-Monument aufbaute, mineralischer Background inklusive.

Proben großer Weine aus kleineren Jahrgängen

Dass weniger hoch eingeschätzte Jahrgänge ebenfalls großartige Weine hervorzubringen vermögen, hat sich bei dieser umfangreichen Degustation gleich mehrfach bestätigt. Schon der 2022er überraschte uns mit seinem Extraktreichtum und dem feinen Fruchtschliff, der 2018er – an sich mit mächtigen Proportionen ausgestattet – stand ihm auch in puncto Finesse nicht viel nach. Und sein Pendant von 2010 bot, freilich in völlig anderer Weise, mit seiner Ausdruckskraft und Vitalität Anlass für Erstaunen. Ebenfalls in diese Kategorie passen noch der exzellente 2007er sowie ein unerwartet jugendlich anmutender Sortenkollege aus dem eher kleinen Jahrgang 2004.

 

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