Angefangen hat das Drama mit amerikanischen Wildreben, die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts per Schiff nach Europa kamen. Als blinde Passagiere hatten sie unter anderem die Pilzerkrankungen Oidium und Peronospora mitgebracht.

Gegen die sie selbst resistent waren, nicht aber die Varietäten der europäischen Edelrebe Vitis vinifera. Noch heute hängen der Echte und der Falsche Mehltau wie ein Damoklesschwert über den Köpfen der Winzer. Um 1880 kam man in Frankreich auf die Idee, Amerikanerreben und europäische Edelreben zu vermählen. Seyval Blanc ist ein bekanntes Beispiel aus dieser Zeit. Das Ergebnis waren Reblaus-resistente interspezifische Kreuzungen mit ausgeprägter Widerstandsfähigkeit gegen die Mehltaupilze, aber mäßigen sensorischen Eigenschaften.

Gegen die Reblaus braucht man schon lange keine Hybridreben mehr, man hat sie mit Unterlagsreben im Griff, die neben europäischen Genen amerikanisches und anderes exotisches Erbmaterial enthalten. Heute liegt der Fokus bei den PIWI neben guter Aromatik auf reduziertem Spritzaufwand, auf Nachhaltigkeit, man will die Umwelt schonen und nicht zuletzt die Brieftasche.

Strategien der Reben zur Pilzabwehr

Die Amerikanerreben haben unterschiedliche Strategien zur Abwehr von Pilzen entwickelt, die mehr oder weniger ausgeprägt auch in den PIWI zur Geltung kommen. Eine dicke Wachsschicht außen und viel Silizium in der Zellhaut schützen vor dem Eindringen von Feuchtigkeit und den Sporen der Mehltaupilze. Sollte diese Barriere versagen, wird der Pilz mit einer verhärteten, dicken Haut abgekapselt, oder rund um die Infektionsstelle sterben die Rebenzellen rasch ab, der Schädling verhungert.

Die Pflanze informiert die benachbarten Zellen über die Infektion, es werden Abwehrstoffe wie beispielsweise Resveratrol oder Quercetin produziert. Diese natürlichen Fungizide werden dann überall in der Rebe mit dem Pflanzensaft verteilt. Man hat herausgefunden, dass pilzresistente Sorten beispielsweise viel mehr Resveratrol enthalten als anfällige Varietäten, vor allem wenn der Mehltaudruck groß ist. So gesehen sind PIWI gesund, denn das polyphenolische Antioxidans Resveratrol gilt als ausgezeichneter Radikalenfänger und wirkt sich unter anderem im Fettstoffwechsel sehr positiv aus.

Sensorik und Aromatik waren verpönt

Lange Zeit waren Hybridreben wegen ihrer gewöhnungsbedürftigen Aromatik verpönt. Weil ihnen die Reblaus nichts anhaben konnte, brauchten sie keine Unterlagsreben, was sich in der Bezeichnung Direktträger widerspiegelt. In den 1930er-Jahren wurden sie in vielen weinbautreibenden Ländern Europas mit einem Bannstrahl belegt, weil die geschmacklichen Eigenschaften alles andere als überzeugten.

Rückkreuzungen von Edelsorten mit Hybriden in der Bundesanstalt für Wein- und Obstbau Klosterneuburg erbrachten erstaunliche Ergebnisse. Am bekanntesten sind die Neuzüchtungen Roesler und Rathay, mittlerweile für Qualitätswein zugelassene rote Rebsorten. Heute unterscheidet man vier Generationen von PIWI. Es überrascht nicht, dass die Züchtungen der ersten Generation gute bis mittlere Resistenz gegen den Echten und den Falschen Mehltau besitzen. Roesler, Bronner und Johanniter gehören ebenfalls zur ersten Generation.

Die zweite Generation ist durch Rückkreuzungen gekennzeichnet. Die Züchter bemühten sich, einerseits den sensorischen Anforderungen zu genügen, andererseits wurde auf die Resistenzeigenschaften großer Wert gelegt. Zu dieser Gruppe zählen Cabernet Blanc, Muscaris und Donauriesling.

In der dritten Generation ging es um eine weitere Verfeinerung der Resistenz von geschmacklich bereits einwandfreien Kreuzungen. Vor allem beim Echten Mehltau, dem Oidium, wurden Fortschritte erzielt. Erfolgreiche Repräsentanten dieser Generation sind Donauveltliner und Calardis Blanc.

Heute arbeiten die Forscher und Züchter an der vierten Generation der Rückkreuzungen, sodass die modernen PIWI zu mehr als 90 Prozent europäische Gene besitzen. Der Fokus liegt ebenfalls auf Widerstandsfähigkeit gegen Oidium. Bei derart ausgedünntem amerikanischem Erbgut ist jedoch die Immunität gegen die Reblaus nicht mehr gegeben, weshalb der Weinbau auf resistente Unterlagsreben angewiesen ist.

In Österreich wichtige PIWI-Rebsorten

Die Bundesanstalt für Wein- und Obstbau Klosterneuburg ist auf dem Bereich pilzwiderstandsfähiger Rebsorten sehr engagiert. Ihr Donauveltliner wurde an verschiedenen Standorten nahe der Donau erprobt. Die Elternreben sind Grüner Veltliner und Seyval Blanc. Die Widerstandsfähigkeit gegen Pilzerkrankungen ist sehr gut bis gut, die Trauben sind locker. Der Wein ist fruchtig; ihm wird gutes Lagerpotenzial attestiert. Gereift schmeckt er ähnlich wie Grüner Veltliner.

Der Donauriesling geht auf den Rheinriesling zurück, bei der zweiten Elternrebe handelt es sich um eine komplizierte Rückkreuzung, die auch amerikanische Gene enthält. Sensorisch herrscht Verwandtschaft mit dem Riesling. Der Rathay enthält Erbmaterial von Blauburger, Seyve Villard und Blaufränkisch. Er liefert dunkle, vollmundige, extrakt- und gerbstoffreiche Weine.

Muscaris ist eine Züchtung des Weinbauinstituts Freiburg in Deutschland. Im Stammbaum finden sich Merzling, Muskat-Ottonel, Zarya Severa, Vitis amurensis und Gelber Muskateller. Das Bukett ist intensiv und erinnert an Steinobst, Rosen, Kräuter oder Zitrusfrüchte. Auch die weiße PIWI-Sorte Johanniter mit Genen von Riesling, Seyve Villard, Ruländer und Gutedel stammt von hier. An die Lage stellt Johanniter ähnliche Ansprüche wie die Burgunder-Sorten. Die Weine sind kräftig, fruchtig und haben Ähnlichkeiten mit Riesling und Ruländer.

Souvignier Gris ist eine pilzwiderstandsfähige Weißweinsorte des deutschen Agrarwissenschaftlers Norbert Becker. Gegen Peronospora ist die Resistenz gut, gegen Oidium und Botrytis sehr gut, was in niederschlagsreicheren Weinbaugebieten von großem Vorteil ist. Für hohe Qualität muss kräftig ausgedünnt werden.

Beim Blütenmuskateller, einer vergleichsweise alten Züchtung des Allrussischen Weinbauinstituts in Nowotscherkassk, kam über die russische Elternrebe Severnyj asiatisches Blut in diese Kreuzung mit Muskat. Ihm sind die kapriziösen Eigenschaften des Gelben Muskatellers weitgehend fremd. Cabernet Blanc ist eine weiße Rebsorte des Schweizer Rebenzüchters Valentin Blattner. Die Weine sind extraktreich und stoffig, sie erinnern an Sauvignon Blanc. Auch die rote Sorte Cabernet Jura kommt aus diesem Haus. Der Wein ist fruchtig, vollmundig und dicht.

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