Während im neuen Guide Michelin Deutschland 2022 soviele Sterne wie noch nie vergeben wurden, sorgt die Abstufung einer Gourmet-Ikone für Unverständnis und scharfe Kritik: dem Vendôme von Joachim Wissler in Bergisch-Gladbach wurde der dritte Stern entzogen.

Joachim Wissler ist ein Spitzenkoch von Weltformat, in Deutschland oft Chef der Chefs genannt, weil ihn seine Berufskollegen immer wieder dazu erkoren. Ein Mentor zahlloser Spitzenköche allemal, aus dessen Schule viele große Namen hervorgingen. Doch anstatt den Mentor-Preis an Wissler zu verleihen, entschlossen sich die Michelin-Chefs um Gwendal Poullennec und dessen Deutschland-Statthalter Ralf Finkenflügel, ihn zur Zielscheibe einer Abstrafaktion zu machen, die niemand versteht, die jedenfalls aber für ein Vielfaches an PR und medialer Aufmerksamkeit sorgt.

Die Herabstufung des Vendôme sei nach sehr gründlicher Abwägung und mehreren Tests des Hauses erfolgt. „Aber wir kennen das außerordentliche Talent von Joachim Wissler“, sagte eine Sprecherin von Michelin: „Die Tür ist nicht zu“, gemeint der Weg zurück zum dritten Stern. Wissler leitet seit dem Jahr 2000 das Gourmetrestaurant im Althoff Grandhotel Schloss Bensberg.

Scharfe Kritik an „eklatantem Fehlgriff“

Der bekannte deutsche Gastro-Kritiker Jürgen Dollase kritisiert den Guide Michelin scharf und weiß viele Kollegen hinter sich: „Mit dem, was nun passiert ist, hat wohl niemand in Deutschland und darüber hinaus gerechnet. In einem eklatanten Fehlgriff, der alle weiteren Entscheidungen überschattet, und den man wohl zu den schlimmsten Fehleinschätzungen abgewertet.“ Bei Michelin sei man offensichtlich nicht in der Lage, Fortschritt zu erkennen, zu Dollase auf seiner Plattform Eat.Drink.Think.

Der Autor dieser Zeilen war am letzten regulären Öffnungstag des Vendôme vor dem ersten Lockdown im März 2020 dort zu Gast und könnte selbst unter schwerer Folter keinen Ansatz eines Grundes benennen, der dem Restaurant den dritten Stern ins Wackeln brächte. Zwischen diesem Tag und dem Ende der Inspektionen (so nennt Michelin die Arbeit seiner Tester) im Herbst 2021, lagen monatelange Gastro-Lockdowns und nur wenige Öffnungsmonate. Völlig unglaubwürdig, dass Joachim Wissler gerade in dieser Zeit sein Ausnahmetalent und seine Kochkunst an den Nagel gehängt hätte. Es gab auch keine Änderungen im Küchenstil, bei den höchstwertigen Produkten und wurde auch kein neues Team in der Küche installiert.

Bleibt als Fazit nur: Wissler musste in den sauren Apfel beißen, damit der Guide Michelin seine PR-Lawine hat. Immerhin kämpft der rote Guide im wichtigen Markt Deutschland um Standing und Marktführerschaft. Letzteres dürfte nun ordentlich misslungen sein, der Michelin hat damit Image und seine Kompetenz infrage gestellt. Wer soll den Bewertungen noch glauben schenken, wenn das Vendôme abgestuft wird? Außer den Auf- und Einsteigern natürlich. Bei Letzteren wurden geradezu mit der Gießkanne die Sterne verteilt.