Mit dem Grünen Veltliner aufgewachsen, die HTL für Textilindustrie absolviert, die Welt großer Marken begleitet ihre Karriere: Ing. Maria Obermayer steht seit acht Monaten an der Spitze von Weinviertel DAC. Hier im Vinaria Exklusiv-Interview.

Maria Obermayer genoß den Weinherbst im Weinviertel. © Regionales Weinkomitee Weinviertel, Andrea Krahofer

Vinaria: Zwischenbilanz nach einer Weinsaison, vom Austrieb im April bis zum Ganslwein im November: Haben Sie den Sprung an die Spitze des Regionalen Weinkomitees Weinviertel schon bereut?

Maria Obermayer: Ganz im Gegenteil! Ich bin bis heute sehr glücklich über meine Entscheidung. Ich bin von Obmann Hans Setzer, dem ganzen Vorstand und den Winzern, mit denen ich bisher zu tun hatte, mit offenen Armen aufgenommen worden.

Sie sind mitten im Lockdown gestartet. Wie sehr hat Sie das in Ihren Plänen beeinflusst?

Natürlich sehr, ich bin ja mitten im strengsten Lockdown gestartet. Das hat alles über den Haufen geworfen, aber auch Neues eröffnet. Wir haben sofort auf Online-Projekte umgeswitcht und die Winzer bestmöglich mit unserer Kommunikation nach außen für deren Online-Shops und Ab-Hof-Verkauf unterstützt. Mich hat begeistert, wie sehr sich da viele Winzer engagiert haben. Von diesen Projekten wird vieles übrig bleiben für die Zukunft, das ist das Positive an der Situation.

Mittlerweile alles wieder auf Schiene?

Ja, zum Glück. Das Weinviertel hatte einen wunderbaren Sommer und eine ausgezeichnete Lese, wir freuen uns auf einen tollen Jahrgang 2021.

Sie kommen aus dem Marketing und haben den Wechsel an die „Front“ gewagt, in die Vermarktung. Was macht den größten Unterschied?

Ich sehe das nicht so streng getrennt. Die Vermarktung ist ja zentraler Teil des Marketings, wenn nicht der entscheidende Teil. Es gefällt mir, wenn ich mit einem Projekt in die Tiefe gehen kann, das entspricht meinem Naturell. Früher, in den Agenturen, bei denen ich gearbeitet habe, war ich klarerweise immer für viele Kunden zuständig.

Sie sind waschechte Ingenieurin, Ihre Ausbildung hatte aber wenig mit Wein zu tun …

Gar nichts. Ich bin Absolventin der HTL für Textilindustrie in der Spengergasse in Wien. Danach habe ich bei einem dänischen Textilunternehmen gearbeitet und den Lehrgang für Werbung und Verkauf absolviert. In der Kombination der beiden Wege bin ich bei Gazelle und Palmers als Werbeleiterin gelandet.

Dort haben Sie ein spektakuläres Wäscheteil entwickelt!

Ja, den Millennium-Bra, einen mit Brillanten besetzten Büstenhalter, zusammen mit dem Wiener Juwelier A.E. Köchert. Das Foto ging damals fast um die Welt.

Das hat mit Ihrem zweiten beruflichen Händchen zu tun?

Genau, ich habe später Schmuckdesign in London studiert. Mir gefällt extravaganter Schmuck, und ich habe handwerkliches Talent, das macht mir großen Spaß. Ich habe das aber nie hauptberuflich gemacht. Dann bin ich zu großen Werbeagenturen gewechselt, Demner Merlicek Bergmann zum Beispiel oder Springer & Jacoby.

Bereits 2016 waren Sie als Etat Director einer Agentur für den damals neuen Auftritt von Weinviertel DAC verantwortlich. Das „Gaumenkino“ ist dabei auch entstanden. Haben Sie die Marke im Blut?

Sagen wir so: Ich kenne mich mit Weinviertel DAC ganz gut aus. Wir haben damals alles neu entwickelt und gestaltet: die Marke neu positioniert und inhaltlich aufgeladen. Das Logo, die Corporate Identity, den Slogan, einfach alles. Dazu braucht es schon viel Hintergrundinformation und entsprechenden Tiefgang.

Lebens- und Genussmittel – da gehört auch der Wein dazu – sind für Sie nichts Neues, oder?

Sicher nicht, ich habe auf Agenturseite immer für großartige Marken aus diesem Bereich gearbeitet, für Meinl Kaffee, Darbo, Wiener Zucker und Stiegl. Die Arbeit für Weinviertel DAC war aber besonders schön.

Weinviertler Winzer können auch ganz schön knorrig sein, andere wieder zerplatzen förmlich vor Selbstbewusstsein. Wie bringen Sie Ihre Schäfchen auf Linie?

Die Winzer, die ich bisher kennengelernt habe, waren durch die Bank professionell, herzlich und offen. Die unterschiedlichen Persönlichkeiten machen das Leben bunt.

Dazu habe ich im Weinviertel besonders viele, starke – oft auch junge – Winzerinnen kennengelernt, die nicht nur Töchter und Ehefrauen sind, sondern sehr engagiert ihre Betriebe führen.

Wie man die Weinbauern – sprichwörtlich verstanden – bei den Hörnern packt, hat Ihre Vorgängerin Ulrike Hager 15 Jahre lang bewiesen. Haben es Frauen in diesem Job leichter als Männer?

Das würde ich nicht sagen, aber schwerer hat man es als Frau auch nicht.

Ihr Obmann im Regionalen Weinkomitee, der Spitzenwinzer Hans Setzer, hat Ihnen zum Start Rosen gestreut, Sie als perfekte Wahl bezeichnet. Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit?

Da ich aus der Privatwirtschaft komme, schätze ich die professionelle Zusammenarbeit auf hohem Niveau. Ich kann daher meinem Obmann und dem Vorstand ebenfalls nur Rosen streuen.

Wo liegen Ihre familiären Wurzeln?

Ich bin in Niederösterreich aufgewachsen, somit mit dem Grünen Veltliner. Mein Vater trinkt bis heute am liebsten Grünen Veltliner aus dem Weinviertel. So hatte ich wohl zum Weinviertler Wein schon unbewusst eine Beziehung aufgebaut. Mütterlicherseits habe ich skandinavische Wurzeln – meine Mutter ist Schwedin, ich habe dorthin viele Kontakte.

Das Weinkomitee Weinviertel gilt schon dank der Größe der Weinregion als besonders marktstark und sehr präsent. Zuletzt ist durch die Pandemie vieles auf der Strecke geblieben. Was planen Sie ab 2022?

Wir planen, alle wichtigen Schienen so schnell wie möglich wieder hochzufahren, vor allem die großen Präsentationen vor Fachleuten und vor Publikum. Da haben wir für kommendes Jahr Wien, Linz, Salzburg und Götzis in Vorarlberg in der Pipeline, dazu München, Berlin und Hamburg. Im Fachbereich werden die Online-Verkostungen bestehen bleiben, das hat für Journalisten, Sommeliers oder Händler, die weit entfernt sind, oft große Vorteile. Für Winzer und Konsumenten ist der persönliche Kontakt aber durch nichts zu ersetzen.

Bleibt der rote Faden das „Gaumenkino“?

Ja! Zusätzlich haben wir 2022 das Jubiläum 20 Jahre Weinviertel DAC – 2002 war der erste DAC-Jahrgang im Weinviertel. Dieses Thema werden wir breitflächig fahren, ganzjährig und auf allen möglichen Kanälen.

Das Weinviertel war erste DAC-Region Österreichs, profitierte davon sehr und ist Pionier. Es werden aber nur rund 15 Prozent der Weine unter dem DAC-Siegel verkauft. Ist hier noch Luft nach oben?

Klar, da sehe ich viel Luft. Wir haben als Weinviertel DAC von allen Weinregionen das klarste Profil nach außen, zum Konsumenten und zur Gastronomie. Weinviertel DAC ist 100 Prozent Grüner Veltliner aus dem Weinviertel mit dem markanten Geschmacksprofil, Stichwort: Pfefferl. Das ist aus Marketingsicht ein Riesenvorteil.

Fühlen Sie sich hauptsächlich für DAC zuständig oder für die gesamte Weinviertler Weinproduktion, vom Sektgrundwein aufwärts?

Selbstverständlich, das Regionale Weinkomitee bietet allen Segmenten das bestmögliche Service. Vom Zugpferd DAC profitieren alle Weinqualitäten und die gesamte Region – seit zwanzig Jahren.

Große Aufmerksamkeit wurde in den vergangenen Jahren – auch bei internationalen Auftritten – den DAC Reserve-weinen gewidmet. Diese produzieren nur rund 100 Winzer. Wohin soll da die Reise gehen?

Die Reserve ist die Speerspitze unserer Positionierung und unserer Weine. Die Weinviertel DAC Reserve eignet sich hervorragend für besondere Anlässe, die von Genießern stark nachgefragt werden. Und es sind schon über 100 Winzer, die Reserven füllen. Ich hoffe, es werden noch viel mehr.

In den jüngsten DAC-Regionen ist ein starker Wildwuchs an Sortenvielfalt in den Regularien feststellbar. Die Steiermark hat da den Bann gebrochen, dann kam Carnuntum, zuletzt die Wachau. Wünschen Sie sich mehr Sorten unter der DAC-Flagge im Weinviertel?

Das ist eine Entscheidung unseres Weinkomitees, der ich nicht vorgreifen möchte. Aber ich kann nur betonen: Mit dem Ist-Zustand, der sich auf 20 Jahre höchst erfolgreiche Arbeit und ein glasklares Profil stützt, sind alle Stakeholder sehr zufrieden.

Was trinken Sie persönlich am liebsten?

Da ich mit ihm aufgewachsen bin: Weinviertel DAC.

Musste ja so sein …. und außer Weinviertler Wein?

Sekt und Champagner Rosé! Zu jedem Anlass, zu jeder Zeit.

Der Weintourismus gewinnt rasch an Stellenwert, generiert gute Wertschöpfung. Die Weinstraßen, Tafeln im Weinviertel und vieles mehr sind hier entstanden. Gibt es neue Projekte?

Vieles ist wegen der Pandemie auf „hold“. Winzer und Tourismus haben im Weinviertel ebenfalls seit 20 Jahren erfolgreich kooperiert, das wird immer mehr und enger. Weinreisen sind international im Trend, auch die ÖWM und unser Landesweinbauverband forcieren dieses Segment stark. Da hat das Weinviertel wirklich sehr, sehr viel zu bieten.

Wünschen Sie sich für einen florierenden Weintourismus mehr – und/oder bessere? – Gastronomie und Hotellerie?

Das wünscht man sich immer und ist extrem wichtig, wenn wir vorankommen möchten. Auf eine gute Infrastruktur in diesen Branchen kommt es an, von der Weintour Weinviertel bis zu Individualreisen. Tourismus und DAC bilden im Weinviertel eine Symbiose, profitieren gegenseitig und haben noch viel Potenzial.

Danke für das Gespräch!

 

ZUR PERSON: Ing. Maria Obermayer

Geboren:
 Schweden – bis zum fünften Lebensjahr dort aufgewachsen, dann nach Niederösterreich (Wienerwald) übersiedelt. Mutter Schwedin, Vater Österreicher

Wohnort: Wien

Karriere: HTL für Textilindustrie in Wien, Lehrgang für Werbung und Verkauf. Vertrieb für ein dänisches Textilunternehmen, danach Marketing-/ Werbeleitung für Gazelle und Palmers. Studium Schmuckdesign in London, dann Einstieg in die internationale Agenturszene, unter anderen Demner Merlicek Bergmann und Springer & Jacoby.

Seit 1. April 2021 Geschäftsführerin des Regionalen Weinkomitees Weinviertel

Hobbys: Yoga, Astrologie und Kunst; lockerer Sport in der Natur

Traum-Reiseziel: Hawaii

Lieblingsessen: Österreichische Hausmannskost („Ich liebe Backhendl mit Erdäpfelsalat“)

Lieblingsgetränk: Sekt und Champagner Rosé; Weinviertel DAC

 

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