Maribor (er)findet sich gerade neu. In Sloweniens Stadt an der steirischen Grenze verstehen sich alter Wein, junge Küche und lebendige Kultur. Eine Zeitreise in die Zukunft mit schillernder Vergangenheit.

Jeden Herbst wird ein großes Fest zu Ehren der alten Rebe veranstaltet. © Dejan Bulut

Ein Ausflug nach Maribor (Marburg) ist wie ein Besuch bei einer guten Freundin. Die Stadt war unter den Habsburgern die größte Stadt der Untersteiermark. Man fühlt das Erbe noch, viele Menschen sprechen Deutsch. Wir huschen über die Stari most, Alte Brücke, und dann sehen wir es: Lent, der älteste Stadtteil Maribors, liegt vor uns wie ein Kunstwerk. Schneeweiße, gelbe, orange, olivgrüne und steinerne Fassaden mit zinnoberroten Dächern leuchten vom anderen Ufer herüber und schimmern im Spiegel der ruhig dahinziehenden Drau.

„Maribor muss sich erst neu finden“, sagt Uroš Mencinger, Sloweniens bekanntester Gourmetkritiker, über seine Heimatstadt. Mit rund 112.000 Einwohnern ist Maribor zwar zweitgrößte Stadt Sloweniens, doch der Schatten der Hauptstadt Ljubljana ist lang. Das Aschenputtel an der Drau wandelt sich aber langsam zum Glamour Girl. Italienische Lebensfreude durchzuckt Maribor, immer mehr Cafés und Lokale eröffnen in der hübschen Fußgängerzone, Bäckereien verpassen sich einen Designerlook, und slowenische Modeschöpfer wie etwa im Slovenska Local made präsentieren in moderner Concept-Store-Atmosphäre. 

Wein in der Unterwelt

In der Vogelperspektive liegt Maribor wie ein Herz in einem grünen Meer vor uns, eingefasst von frisch gestriegelten Weinbergen. Traditionsreiches Symbol der Weinkultur ist die große „Alte Dame“ der Weinstöcke, „Stara trta“, die weltweit älteste edle Rebe. Seit 400 Jahren breitet der Stock der Sorte „Blauer Köllner“ seine langen Arme vor dem Haus der „Alten Rebe“ am Ufer der Drau aus. Der Weinstock überstand alles: die Türken im Mittelalter, Brände, die Reblaus-Epidemie und die Bombardierung durch die Alliierten. Ein Grund zum Feiern: Im Herbst werden in einem großen Festakt immerhin 35 bis 55 Kilogramm Trauben geerntet. Wein ist hier aber nicht nur an der Oberfläche zu sehen, er ist auch ein Unterweltler. Ein Ganglabyrinth von zweieinhalb Kilometern breitet sich unter der Stadt mit scheinbar unendlichen Reihen von Eichenfässern aus.

Europafit ist Maribor bereits im Kulturbereich. Das Slowenische Nationaltheater zieht mit Schauspielhaus, Oper und Ballett sogar Publikum aus Österreich an. 

Auf Augenhöhe mit der Kultur steht die Kulinarik. „Die slowenische Küche steht sehr gut da“, ist Uroš Mencingers Einschätzung, „die Produkte sind noch nicht verdorben, und viele Küchenchefs waren im Ausland.“ Einer der Impulsgeber ist David Vračko, nach dem neuen französischen System im Gault Millau mit vier von fünf Hauben bewertet. Ein Besuch bei ihm wird zum schrägen Abenteuer, Kreativität wird aber nicht zum Selbstzweck. „Schmecken muss es halt, nicht wahr?“ Davids Bruder Gregor kocht auf ähnlichem Niveau in der Hiša Denk nur ein paar Kilometer außerhalb. Unglaublich, was für einen mutigen Holzbau er da quasi ins Nichts in Zgornja Kungota stellte. Nur wenige Autominuten entfernt zelebriert Klavdija Gaube im gleichnamigen Weingut einen wohltemperierten Mix aus Gasthaus und Fine Dining.

Bistrofood und Backhendl

Uroš und Violeta Mencinger haben in Maribor auch noch das jugendlich-moderne Sedem, das bistroartige Fudo und das authentische Njami sushi auf ihrer Lieblingsliste. Und wenn es urig-gemütlich sein soll? „Dann ins Stara Lipa, Backhendl vom Feinsten.“ 

Schon immer war der Markt unser Anlaufpunkt in Maribor. Bauernweiblein mit Kopftüchern lächeln hinter den Ständen, auf denen Paprika zu bunten Bergen aufgebaut sind, Kürbisöl und Pilze duften und Bohnen in allen Farben angeboten werden.

Bauernhofidylle

Boris Uranjek führt uns auf seinem Bauernhof im Dorf Fram nahe Maribor inmitten von Wiesen, Obstgärten und Wäldern durch seine Felder. Auf verkehrt aufgestellten Blumentöpfen stehen mit Kreide geschrieben die Namen der zahlreichen Kräuter. Wir saugen den Duft von Rosmarin, Thymian und Oregano ein. Die Schweine haben viel Platz zum Suhlen, Hühner und Enten streifen umher, und die Kühe ziehen gemächlich über die Weide. Alles geht hier einen Gang langsamer. Ein Fest auch für das Auge.

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Werner Ringhofer

David Vračko ist der kreativste Koch der Stadt und mit vier Hauben bewertet. © Gregor Bohak
Danilo Flakus im Weingut Dveri-Pax, das die 800-jährige Weinbautradition der Admonter Benediktinermönche fortsetzt. © Beigestellt
Im Biobauernhof Pri Baronu wird Hausmannskost vom Feinsten aufgetischt. © Uroš Mencinger
Das Sedem ist zwar ein Schulrestaurant, aber voll auf der Höhe. © Uroš Mencinger
Für Romantiker: ein Spaziergang entlang der herzförmigen Straße auf dem Špičnik, der sich durch die Weinberge entlang der Grenze zum benachbarten Österreich schlängelt. © Anja Roj
Im Weingut Gaube wird altösterreichische Küche mit modernem Twist zelebriert. © Uroš Mencinger
Danilo Steyer ist vor allem für seine Traminer bekannt. © Beigestellt