Das nationale Verzeichnis des Immateriellen UNESCO-Kulturerbes in Österreich hat zehn Neuzugänge erfahren. Mit dabei sind nun auch die Weinviertler Kellergassen im mit Abstand größten Weinbaugebiet Österreichs, wo die Leitsorte Grüner Veltliner mit dem berühmten „Pfefferl“ wächst.

Kellergasse Galgenberg im Weinviertel © Niederösterreich Werbung, Robert Herbst

Unter „Immateriellem Kulturerbe“ versteht die UNESCO verschiedenste Künste, gesellschaftliche Praktiken, Bräuche, Feste, Naturwissen oder Handwerkstechniken, die von Menschen ausgeübt, weitergegeben und weiterentwickelt werden. Es handelt sich dabei meist um regional sehr begrenzte immaterielle Errungenschaften. Die Weinviertler Kellerkultur stellt demnach eine spezielle Form des gesellschaftlichen Zusammenlebens dar, mit Bräuchen und Traditionen, die seit Jahrhunderten gepflegt werden. Im Mittelpunkt steht dabei immer das Zusammenkommen von Menschen in Kellern und Presshäusern.

Kellergassen als Gesicht des Weinviertels

Die Weinviertler Kellergassen existieren seit vielen Jahrhunderten und haben nach wie vor eine wichtige soziale Bedeutung für die lokale Bevölkerung sowie für Touristen. Ins österreichische Nationale Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes wurden nun die gesellschaftlichen Praktiken rund um die Weinviertler Keller und Presshäuser aufgenommen. Dabei geht es etwa um die „Köllastund“, zu der sich Kellerbesitzer regelmäßig treffen, um „bei einem Glas Wein über das Leben nachzudenken“, wie es die UNESCO beschreibt. Darüberhinaus sind die oft kilometerlangen Kellergassen so etwas wie ein Gesicht des Weinviertels, werden sie doch laufend und vieltausendfach abgebildet als malerisches Symbol des Weinviertels.

660 Kellergassenführer ausgebildet

Kommen im Weinkeller größere Runden mit eingeladenen Gästen zustanden, spricht man von der „Köllapartie“, bei der auch spontan Vorbeikommende immer herzlich willkommen sind. Wichtiger Bestandteil dieser gesellschaftlichen Kellerrunden ist die „Köllajausn“ mit vorwiegend kalten Speisen, hausgemacht oder aus regionaler Produktion. Ein weiterer Ausdruck der Weinviertler Kellerkultur ist der „Köllamaunn“, der einst den Kellerbesitzer bezeichnete. Heute steht er für Menschen, die die Weinviertler Kellerkultur weitertragen. Sie kümmern sich um Keller, pflegen die Kellerkultur und geben sie weiter. Seit 1990 wurden etwa 660 Kellergassenführer ausgebildet, seit 2012 wird jährlich ein „Köllamaunn des Jahres“ gekürt, der sich um die Themen Kellergassen, Wein- und Kellerkultur verdient machte.

Kommissar Polt machte Kellergassen bekannt

Im deutschsprachigen Raum wurde die Weinviertler Kellerkultur nicht zuletzt durch die erfolgreichen „Polt“-Romane des österreichischen Schriftstellers Alfred Komarek bekannt. Mehrere der Geschichten rund um die Figur des ehemaligen Polizisten Simon Polt wurden auch verfilmt. Besucher können heute auf einem eigenen „Polt-Radwanderweg“ oder in Begleitung eines Kellergassenführers dessen literarischen Spuren folgen.

Neben der Weinviertler Kellerkultur wurden heuer auch andere Bräuche und Traditionen in das österreichische Nationale Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes aufgenommen, etwa die Wallfahrt der Goldhauben- und Trachtengruppen des Mostviertels, die traditionelle Bewässerung in der Steinfeldgemeinde Theresienfeld im Bezirk Wiener Neustadt, der Zunfttag der Fleischhauer sowie der Liebfrauenbruderschaft in Gars am Kamp im Bezirk Horn (alle Niederösterreich) sowie die Weihnachtskrippen-Tradition in Wenn in Tirol. 

In der Kellergasse „Oagossn“ in Falkenstein reihen sich 65 Weinkeller aneinander. © Niederösterreich Werbung, Robert Herbst
Die Kellergasse Maulavern in Zellerndorf. © Weinviertel Tourismus, Robert Herbst
Oft sanft ansteigend verlaufen die Kellergassen im Weinviertel. © ÖWM, Armin Faber