Wie der Wiener Gemischte Satz zur DAC-Herkunft wurde, welche bekannten und weniger bekannten Winzer die Protagonisten des Erfolges sind und warum die Flaggschiffe auf Kurs liegen.

Hans Schmid © S-Medien, Philipp Hutter

Schon immer hatte Franz Mayer, der langjährige Doyen des Wiener Wein­geschehens, von der Güte der seinerzeitigen Gemischten Sätze geschwärmt und diese auch selbst in seinem so traditionsreichen Weingut und Heurigen am Heiligenstädter Pfarrplatz gepflegt. Um einen differenzierteren Geschmackseindruck zu erreichen, hat er auch in Vergessenheit geratene Sorten wie Zierfandler und Rotgipfler in seinen Wiener Weinbergen neu ausgepflanzt. Die eigent­liche Rückbesinnung auf den Wiener Satz hat vielleicht – angeregt von Franz Mayers Erzählungen – Fritz Wieninger eingeleitet, der seit vielen Jahren rund um den Bisam­berg Spitzen­weine kelterte.

Als nämlich der Stammersdorfer Winzer den schon lange geplanten „Sprung“ über die Donau an deren rechtes Ufer wagte und ausgedehnte Rebanlagen im Herzstück des Nussberges erwarb, fielen ihm einige alte, im Mischsatz ausgepflanzte Anlagen auf, wie er sie bis dato noch nie bewirtschaftet hatte. Nach kurzem Zögern entschloss er sich, auf das ohnehin äußerst aufwen­dige Aussondern einzelner Rebsorten zu verzichten und erstmals einen Gemischten Satz quasi ungeschminkt auf den Markt zu bringen.

Nach dem „Wenn schon, denn schon“-Prinzip sollte es sich freilich nicht um irgendeinen Basiswein handeln, sondern um ein hochwertiges Produkt, das dem Alter der Rebstöcke und der erzielten Traubenreife gerecht wurde. So wurde der Alte Mischsatz in eine nostalgisch anmutende Spezialflasche gefüllt und mit einem ebenfalls dem Retro-Design verpflichteten Etikett versehen, das in leicht vergilbtem Farbton die Lese auf dem Nussberg anno 1930 zeigte.

Der Erstling aus dem sehr guten Jahrgang 2002 war aufgrund seiner Aromenvielfalt und Komplexität glücklicher­weise ein Sofort-Erfolg, was einerseits Fritz Wieninger dazu bewog, diesen Weintyp nunmehr Jahr für Jahr auszubauen sowie auf weitere Einzellagen zu erweitern, und andererseits viele Epi­gonen auf den Plan rief.

„Ein bunter Strauß aus Wien“

Nach Jahren der informellen Zusammenarbeit formierte sich schließlich im Jahr 2006 die Gruppe „WienWein“, zu der heute die führenden Wiener Weinbau­betriebe zählen. Dies mit dem vorrangigen Ziel, für den Wiener Wein ein noch höheres Qualitätsniveau anzustreben und auch den Wiener Gemischten Satz unter der blumigen Devise „Ein bunter Strauß aus Wien“ endgültig salonfähig zu machen.

Tatsächlich gelangen offenbar aufgrund dieser Kooperation starke Steigerungen im Weinvertrieb und auch eine Erhöhung der Exportquote, wobei diese Erfolgsgeschichte zweifellos Vorbildwirkung für die gesamte Wiener Winzerschaft hatte.

Die meisten Wiener Weingüter konnten bei der Neuentdeckung des Gemischten Satzes auf jene alten Anlagen zurückgreifen, die in den Wiener Weingefilden im Regelfall nahezu im Überfluss vorhanden waren, aber es gab auch Pro­ponenten wie den engagierten Jedlers­dorfer Winzer Rainer Christ, der auf dem Bisamberg erst fündig werden musste und in der Folge einen neu anzulegenden Weingarten auch gemischt auspflanzte. Längst hat diese Methode allgemein wieder Fuß gefasst, um die steigende Nachfrage nach diesem Wiener Klassiker, der gegenwärtig immerhin 28% der Wiener Rebfläche einnimmt, einigermaßen zufriedenzustellen.

Glücksfall Hans Schmid

Ein weiterer Meilenstein im Wiener Weingeschehen war zweifellos die Übernahme des Wiener Traditionsbetriebes Mayer am Pfarrplatz durch den innovativen Unternehmer Hans Schmid, womit das Flaggschiff des Döblinger und Wiener Weinbaus wieder auf Erfolgskurs gebracht wurde.

Der Siegeszug des Gemischten Satzes führte freilich dazu, dass auch Winzer aus anderen Weinbaugebieten auf diesen aufsprangen, um die Gunst der Stunde zu nützen. Vielfach blieb die Abgrenzung zur Cuvée im Unklaren, sodass nicht nur die apostrophierte WienWein-Vereinigung eine eindeutige Definition und einen rechtlich abgesicherten Herkunftsschutz forderte.

Wiener Gemischter Satz DAC

Dieser wurde schließlich ab dem Jahrgang 2013 in Form einer Verordnung realisiert, mit welcher der Wiener Gemischte Satz den begehrten DAC-Status erhielt. DAC steht für Districtus Austriae Controllatus, der österreichischen Bezeichnung für Weine bestimmter Herkunftsgebiete, die rechtlich genau festgelegten Anforderungen entsprechen müssen.

Danach müssen sich mindestens drei Qualitätsrebsorten aus einem gemein­samen Weingarten zum Gemischten Satz formieren, wobei der größte Sortenanteil nicht höher als 50% sein darf, der drittgrößte Anteil hingegen zumindest 10% umfassen muss. Der vorhandene Alkoholgehalt darf 12,5% nicht übersteigen, der Wein muss trocken sein und darf keinen wahrnehmbaren Holzgeschmack aufweisen.

Darüber hinaus kann der Wiener Gemischte Satz aber auch mit einer engeren geografischen Bezeichnung auf den Markt kommen, die etwa auf eine ein­zelne Riede, die Großlage oder einen Bezirk hinweist. Solche gehobenen „Lagen­weine“ bilden quasi die Spitze der Qualitätspyramide. Sie müssen mindestens 12,5% Alkoholgehalt besitzen und dürfen frühestens im März des auf die Ernte folgenden Jahres in den Verkauf gehen.

Damit wird auch der Wiener Tradition Rechnung getragen, schon zur Ära der Massenträger-Reben vielfach auf anerkannte Edelreben wie Riesling, Ruländer, Weißburgunder, Rotgipfler und Traminer gesetzt zu haben. Gemischte Sätze, welche nicht diesen Regeln entsprechen, dürfen seither nur als Landwein ohne nähere geografische Herkunftsbezeichnung etikettiert werden.

Des Weiteren ist der Wiener Gemischte Satz DAC von der italienischen Slowfood-Bewegung, die sich das Recht zur Bewahrung des Genusses auf ihre Fahnen geheftet hat, als sogenanntes Presidio-Produkt erwählt worden – die höchste Auszeichnung dieser Vereinigung für wertvolle, lokale Agrarerzeugnisse.

Flaggschiffe auf Kurs

Viele Weingüter bringen mittlerweile – ausgehend von der genannten Verordnung – zwei Weintypen hervor. Einen eher leichten, spritzigen Mischsatz, der nur mit Wien etikettiert wird, und einen gehaltvollen, der die Bezeichnung der Großlage oder Riede trägt. Größere Betriebe führen zumeist schon vier Repräsentanten, darunter einen „Einsteiger“-Mischsatz, einen Großlagen-Wein, zum Beispiel vom bekannten Nussberg, und zwei Weine mit der genauen Ried­bezeichnung.

Eben dieser Nomenklatur folgen die Bezeichnungen im Weingut Mayer am Pfarrplatz, in dem die engagierte, junge Crew rund um Geschäftsführer Gerhard Lobner in den vergangenen Jahren tolle Arbeit geleistet hat. Der in Wien omnipräsente Basis-Gemischte-Satz ist wohl derjenige, der mit Abstand die höchste Stückzahl erreicht. Ihm folgt ein bereits sehr typischer und kraftvoller Nussberger, und an der Spitze stehen dann die modellhaften Lagenweine von den Rieden Preussen und Langteufel.

Während bei Mayer am Pfarrplatz der Fokus auf Klarheit und Fruchtbrillanz gelegt wird, stehen im Schwesterweingut Rotes Haus aufgrund der burgundischen Rebsorten satter Schmelz und Harmonie im Vordergrund, wobei an sich die gleichen vier Weine das Repertoire bilden.

Der mächtige, lagerfähige Langteufel, aus einer besonders kalkreichen, exponierten Lage, wurde schon mehrfach zum besten Wiener Gemischten Satz gekürt und zählt fraglos zu den großen öster­reichischen Weißweinen.

Fritz Wieninger kann als Initiator und langjähriger Obmann der WienWein-Gruppe und Schöpfer des ersten Nuss­berger Premium-Weines zweifellos als Pate der folgenden Erfolgsstory bezeichnet werden. Heutzutage bietet er ein ganzes Quintett an Gemischten Sätzen verschiedener Gewichtsklassen an.

Speziell die Weine vom Rosengartl, einer nur 1,6 Hektar umfassenden Lage im Filetstück des Nussbergs, und von der Ried Ulm, einem besonders kalkreichen Abschnitt, der sehr straffe, Geduld erfordernde Lagerweine ergibt, haben bereits Kultstatus erlangt und gehören zumBesten aus den Wiener Weinfluren.

Auch hier gibt es ein Bruderweingut, das nach den Gründervätern Hajszan und Neumann benannt ist und ebenfalls drei Gemischte Sätze im Programm hat. Immer einen Verkostungsschluck wert ist etwa die Variante von der Weisleiten, einer ausgedehnten Nordlage, die ihm stets kühle Frische, aber auch 13,5% Alkohol verleiht – im Zuge des Klimawandels sicher ein interessantes Asset.

Einen großen Aufschwung hat in den vergangenen Jahren, nicht zuletzt wegen der unter Bürgermeister Häupl getätigten Investitionen in ein modernes Equipment, das der Stadt Wien gehörende Weingut Cobenzl genommen, das sich künftig, wie so viele andere Spitzenbetriebe, der biologischen Bewirtschaftung verschrieben hat.

Alle drei Wiener Gemischten Sätze sind einen Versuch wert, an der Spitze steht wohl der ausgereifte wie feinglied­rige Vertreter vom Grinzinger Steinberg. Interessant sind zweifellos auch die Nuss­berger Rieslinge und die zum Groß­teil auf dem Bisamberg wachsenden Rot­weine.

Vielversprechende Newcomer

Der zweitgrößte zusammenhängende Weinberg von Wien befindet sich in Neustift am Walde und Salmannsdorf, wo der junge, engagierte Winzer Thomas Huber mittlerweile nahezu eine Monopolstellung besitzt. Die Hänge auf dem Neuberg und Mitterberg nützt er zu mindestens fünf Gemischten Sätzen, von denen hier Pars pro Toto der kraftvolle „Neustift 68“ und der vielfältige, aus 17 Sorten komponierte Mitterberg hervorgehoben seien.

Auf dem Nussberg, in der bereits 1315 erwähnten Ried Golin, konnte ein alter Weingarten kultiviert werden, in dem sich über vier bekannte Rebsorten hinaus auch zahlreiche, nicht identifizier­bare befinden, und dessen erste drei Jahrgänge Großes für die Zukunft versprechen.

Wiederum in der Großlage Nussberg, aber auch im legendären Teilstück der Preussen befinden sich jene Weingärten, aus denen die kleine, doch feine Weinmanufaktur von Franz-Michael Mayer, dem Sohn des einstigen Doyen, ihre Gemischten Sätze gewinnt. Individualität und Mut zu Neuem hat er schon mehrfach bewiesen, etwa durch so seltene Gewächse wie rein­sortigen Semillon oder einen Chardonnay aus argen­tinischen Klonen, die selbstverständlich ebenso auf dem Nussberg gedeihen.

Für Furore haben in den jüngsten Jahrgängen auch die Weine des Musikers und einstigen Hobbywinzers Peter Uhler gesorgt, der mit untadeligen Qualitäten aus seinen Grinzinger und Nussberger Weingärten längst zu den etablierten Betrieben aufschließen konnte. Seine differenzierten Gemischten Sätze kommen vom hoch oben an der Flanke des Kahlenbergs gelegenen Mitterberg (nicht mit dem Neustifter Mitterberg zu verwechseln), von der Grinzinger Ried Reisenberg und von der Oberen Schoß am Nussberg.

Die letzte Buschenschank mit eigenem Wein im einst florierenden Heurigendorf Sievering betreibt Familie Kroiss mit viel Engagement. Deren knusprig-frische, elegante Mischsätze stammen entweder aus Sieveringer oder Neustifter Rieden, wie etwa Reissern und Mitterberg. Erwähnenswert ist auch der Südhang des Hackenberges, der einer von Bebauung umzingelten Enklave gleicht und erstklassige Veltliner und Rieslinge, ja sogar Rotweine ergibt.

Eine der letzten Bastionen für geho­bene Weinqualität in Grinzing ist zweifellos das aufstrebende Stadtweingut von Johan­nes Müller. Im idyllischen Heurigen kann man zahlreiche Sortenweine degustieren, aber auch einen blumigen Gemischten Satz von der Ried Point. Einen ebenfalls sehr traditionsreichen Heurigen betreibt Matthias Hengl im Herzen von Döbling. Sein Weingut offeriert auch einen Wiener Gemischten Satz DAC, bekannter ist es freilich für rassige Rieslinge und die kraftvollen Rotweine vom Hungerberg.

Sprung nach Transdanubien

Jetzt ist es Zeit für den Sprung nach Trans­danubien, ans linke Donauufer, wo man in den noch immer beschaulichen Weinbauorten Stammersdorf, Strebersdorf und Großjedlersdorf zahlreiche zuverlässige Gemischte Sätze verkosten kann. Über die fraglos beste Adresse in Stammersdorf, das Weingut Wieninger, war schon anlässlich der Parade seiner vorwiegend vom Nussberg stammenden Gemischten Schätze die Rede, neu ist aber zum Beispiel ein Mischsatz von der ganz oben auf dem Bisamberg gelegenen Riede Falkenberg.

Die Nr. 1 in Jedlersdorf und einer der besten Wiener Betriebe überhaupt ist das Weingut von Rainer Christ. Von den vier Gemischten Sätzen seien an dieser Stelle der Bisamberg und der ungemein vielschichtige Wiesthalen besonders hervorgehoben. Wer dem Weingut einen Besuch abstattet, sollte keineswegs versäumen, die hervor­ragenden Weiß­burgunder und Rotweine zu probieren.

Im gleichen Ort bieten auch die Heurigen von Karl Lentner – Gemischter Satz Bisamberg – und Peter Bernreiter – beachtlicher Gemischter Satz von der Ried Gabrissen – verlässliches Niveau. Am Rande von Strebersdorf  betreibt schließlich der einstige Käser und Regional­politiker sowie gegenwärtige Wiener Weinbaupräsident Norbert Walter im Sommerhalbjahr eine lauschig im Weingarten gelegene Buschenschank, in der unter anderem auch ein saftiger und balancierter Gemischter Satz vom Döblinger Hackenberg ausgeschenkt wird.

Wein-Hotspot Mauer in Wien-Süd

Ganz im Süden der Bundeshauptstadt, im alten Weinort Mauer, halten einige Weinhauer und deren Weinberge unverzagt die Stellung gegen das herandrängende Häusermeer. Eine herausragende Stellung besitzt unter ihnen der innovative Winzer und Heurigenwirt Michael „Mike“ Edlmoser, zu dessen Kernkompetenz schon seit jeher die Pflege des Gemischten Satzes zählt.

Das Quartett seiner in puncto Gewicht und Aromatik perfekt voneinander abgegrenzten Wiener Gemischten Sätze lässt fürwahr keine Wünsche offen. Von 2020 begeisterte der schwungvolle Maurer­berg ebenso wie die mächtigen 2019er vins de garde von den Rieden Himmel und Sätzen, deren volles Potenzial sich erst nach einiger Lagerzeit entfalten wird.

Ein Blick in die Zukunft

Welche Entwicklung ist nach diesen jüngsten Umwälzungen nun für die nächste Zukunft zu erwarten? Zweifellos haben sich die Wiener Gemischten Sätze in kurzer Zeit einen Ruf erworben, der sie auf den österreichischen Weinkarten festschreiben wird, sodass nach Überwindung der aktuellen Absatzkrise Steigerungsraten sowohl im Inland als auch bei den qualitätsorientierten Exporten möglich erscheinen.

Nachdem der Gemischte Satz die langen Jahrzehnte seiner Diaspora in den Wiener Heurigen zumeist als „Schankwein ohne besondere Ansprüche“ überdauert hat, besteht nunmehr kein vernünftiger Grund, an der Fortsetzung seiner Erfolgsgeschichte unter den erfreulichen Vorzeichen eines kompromisslosen Qualitätsstrebens zu zweifeln – die besten Wünsche der österreichischen Weinliebhaber werden ihn auf seinem Weg nach oben jedenfalls begleiten!