Zehn Jahre sind gleichsam wie im Flug vergangen, seit der Wiener Gemischte Satz ab dem Jahrgang 2013 DAC-Status erlangt hat. Die Implementierung der Herkunftspyramide von Gebietswein, Ortswein und Riedenwein war für Vinaria Anlass, um dieser Wiener Spezialität in all ihren Facetten auf den Grund zu gehen.

Ried Sätzen am Maurerberg © Robert Herbst

Heute ist der Wiener Gemischte Satz als rechtlich gut definierte und abgesicherte regionale Spezialität mit Alleinstellungsmerkmal aus der österreichischen Rebenlandschaft nicht mehr wegzudenken. Und doch gelang der Riesenschritt vom in den Wiener Heurigen kredenzten, einfachen Schankwein zum vielschichtigen Repräsentanten seiner engeren Herkunft nicht von heute auf morgen, sondern in verschiedenen Etappen. 

Pioniere Franz Mayr & Fritz Wieninger

Als der Stammersdorfer Weinbaupionier Fritz Wieninger die Chance erkannte, seine Rebfläche um Weingärten auf dem Döblinger Nussberg zu erweitern, war er nicht nur von der schönen Aussicht begeistert, sondern auch verwundert, dort noch alte, im einst traditionellen Mischsatz ausgepflanzte Rebkulturen vorzufinden. Nach kurzer Nachdenkphase beschloss er, diese weiterhin zu kultivieren und von vornherein auf das Premium-Segment zu setzen. 

Schon immer auf den Wiener Gemischten Satz gebaut hat der unbestrittene Wiener Weinbau-Doyen Franz Mayer, der noch in den Achtzigerjahren neue Anlagen nach alter Sitte auspflanzte und auch nicht auf „Exoten“ wie Rotgipfler, Zierfandler und Traminer vergaß. Nach der Übernahme des Traditionsbetriebes durch den innovativen Investor Hans Schmid, die sich in jeder Hinsicht als Glücksfall erwies, versuchte dessen engagiertes Team von Anfang an erfolgreich, die Nussberger Spitzenlagen für adäquate Spitzenweine heranzuziehen.

Wiedergeburt in vielen Schritten

Ein ganz wichtiger weiterer Schritt, um die in der Wiener Weinszene zu Anfang des Jahrhunderts endlich spürbare Aufbruchsstimmung zu nutzen und durch eine Institutionalisierung in geordnete Bahnen zu lenken, war dann 2006 die Gründung der WienWein-Vereinigung, die auch gegenwärtig als wichtigster Initiator der Qualitätsbestrebungen in und um Wien anzusehen ist. Bald waren deren Mitgliedern die Ortsbezeichnungen à la Nussberg, Grinzing und Bisamberg zu wenig, und die nahezu vergessenen klangvollen Bezeichnungen so begnadeter Rieden wie Preussen, Langteufel, Rosengartel & Co. kamen wieder zu neuen Ehren. 

Freilich wurde dies mitunter schon zu Zeiten gepflogen, als das Lagendenken allgemein im Niedergang war. So kann ich mich ganz gut an eine Döblinger Weinkost 1967 erinnern, als nicht nur fein säuberlich nach allen Döblinger Weinbaugemeinden und deren Weinbauvereinen unterschieden wurde, sondern in der begleitenden Verkostungsbroschüre auch bei jedem einzelnen Wein die genaue Riedenangabe abgedruckt war.

Eigene DAC für den Wiener Gemischten Satz

Der nächste überfällige Schritt waren zweifellos die legistische Implementierung im österreichischen Weinrecht mittels Verordnung des Landwirtschaftsressorts und die Schaffung einer eigenen DAC für den Wiener Gemischten Satz. Eine österreichweite, detaillierte Regelung gibt es aber nach wie vor nicht, was man angesichts vieler Nachahmer, speziell in den niederösterreichischen Anbaugebieten, als Lücke empfinden kann. So wäre es nach heutiger Rechtslage nach wie vor statthaft, einen außerhalb von Wien erzeugten Mischsatz als solchen zu etikettieren, selbst wenn er aus gleichen Teilen Poysdorfer Welschriesling und Traiskirchner Neuburger bestünde, die bloß gemeinsam vergoren und weiter ausgebaut wurden. 

Selbst wenn solche Praktiken hoffentlich selten sein mögen, ist eine derartige Ausdehnung der Begriffsdefinition sicher nicht im Sinn ihrer Erfinder, ja führt die Vorteile der wirklich gemischten Auspflanzung, wie sie Rainer Christ im Dialog mit Vinaria ausführte, geradezu ad absurdum. In ebendieser Diskussion wird auch die Erfolgsstory seit der DAC-Werdung näher beleuchtet, sodass hier auf eine weitere Thematisierung verzichtet werden kann. 

Ein Vierterl „Nuss“ um den Preis eines Menüs

Bevor wir uns den Erkenntnissen der aktuellen Degustation zuwenden, noch eine Anekdote für jene Weinfreunde, die unter den allgemeinen Preiserhöhungen leiden –25 bis 39 Euro für einen Wiener Gemischten Satz aus einer Spitzenlage sind ja auch nicht so wenig. So hat uns einst Franz Mayer erzählt, dass in den Dreißigerjahren zu den Aussteckzeiten des einst legendären Heurigen Westermayer in Heiligenstadt die Gäste selbst bei strömendem Regen unter ihren Regenschirmen im Garten saßen – der Innenraum war viel zu klein für alle Besucher – und ihr Viertel „Nuss“, sprich: den Gemischten Satz von Nussberger Rieden, genossen, obwohl dieses zum Preis eines ganzen Menüs in der Innenstadt ausgeschenkt wurde. 

Tempora mutantur, zudem hat es damals kein Fernsehen und Internet gegeben, und das „Wunderteam“ hat nicht jeden Sonntag aufgespielt. Dennoch illustriert dieser nostalgische Rückblick, wie viel den Weinliebhabern ein wirklich guter Tropfen einst wert war, und welche Wertschätzung der Wiener Gemischte Satz damals genoss. Diese beschränkte sich aber keineswegs auf die Donaumetropole, denn bereits die Aufzeichnungen anlässlich der Pariser Weltausstellung anno 1899 belegen, dass die beiden Gemischten Sätze der Wiener Weingüter Armbruster-Mandl und Kürassier-Hengl jeweils mit einer Großen Goldmedaille ausgezeichnet wurden.

Hohes Niveau auf drei Stufen

Das erfreulich hohe Niveau, das die Wiener Gemischten Sätze mittlerweile erreicht haben, manifestiert sich schon in der Kategorie der Gebietsweine, welche durch die Bank ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis auszeichnet, wobei die 2022er offensichtlich auch von dem Umstand profitieren, dass dieser nicht gerade einfache Jahrgang in den Weingärten der Bundeshauptstadt besser ausgefallen ist als im österreichischen Durchschnitt. Ähnliches haben wir bereits im Vorjahr konstatiert, als die Orts- und Riedenweine großteils aus dem noch schwierigeren Weinjahr 2020 stammten; vielleicht werden die obligaten Jahrgangsschwankungen am Rand der Großstadt doch etwas abgemildert?

Rundum sehr erfreulich präsentierten sich die Ortsweine, eine Kategorie, die österreichweit stark an Bedeutung gewinnen sollte, bietet sie doch immer öfter bereits ein beachtliches Qualitätslevel, und dies zu durchaus erschwinglichen Preisen. Hier fielen auch die herkunftstypischen Aspekte stärker ins Gewicht, ohne dass sich spezielle Präferenzen ableiten ließen, wenn man von den fast durchwegs hohen Bewertungen einmal absieht, welche die Nussberger Gewächse erreicht haben. 

Beachtliche Ortsweine

Da tat sich besonders der aus drei Burgunder-Rebsorten und einer Prise Traminer komponierte Nussberger vom Roten Haus hervor, dem auch der Ausbau im großen Holz gewissermaßen burgundisches Flair verleiht. Trotz hoher Reife und nussiger Würze hat sich dieser Ausnahme-Ortswein, der freilich auch punkto Herkunft beinahe als Lagenwein durchgehen könnte, viel Schwung und Spannkraft bewahrt. 

Ebenso vom Nussberg stammen die völlig anders gearteten Ortsweine von Franz-Michael Mayer ab, die trotz beachtlicher Fülle gleichsam seidig, ja nahezu filigran über den Gaumen gleiten, wobei man der erst im Mai gefüllten Version noch etwas Flaschenreife gönnen sollte. Ähnliches gilt auch für den kraftvollen, noch etwas reduktiven Bisamberger von Fritz Wieninger, der ebenso von ein wenig Reife nur profitieren kann.

Damit zur Spitze der Pyramide in Gestalt der Wiener Riedenweine, die mit Gemischtem Satz bepflanzt sind. Auch in dieser Kategorie haben sich die 2022er im Großen und Ganzen gut geschlagen, wobei zu bedenken ist, dass zahlreiche Lagenweine ja erst im Laufe des Jahres oder noch später auf den Markt kommen.

Auf der fruchtig-frischen Seite

Ganz auf der fruchtig-frischen Seite haben sich die feingliedrigen Gewächse von Roland Kroiss, Peter Uhler und Thomas Huber präsentiert. Übrigens kommt der Mitterberg des erstgenannten Betriebes von der ausgedehnten Riede in der Neustifter Hangmitte, während sich der Uhler’sche Mitterberg am südöstlichen Hangfuß des Kahlenberges befindet. 

Die Speerspitze dieser „Ausbaurichtung“ bildeten jedoch die fruchtbeladenen, kraftvollen wie rassigen Tropfen von Fuhrgassl-Huber. Die Höhenlage und Wienerwald-Nähe der beiden Weine vom Salmannsdorfer Neuberg hat ihnen viel Frische sowie Temperament und kecke Säure verliehen, wobei der „68 Neustift am Walde“ darüber hinaus mit Cassis-Frucht und beachtlichem Körper aufwarten kann.

Höhepunkte liefern die 2021er Riedenweine

Für die absoluten Höhepunkte der diesjährigen Vinaria-Degustation sorgten freilich erwartungsgemäß die 2021er Riedenweine, die auch mehr als zwei Drittel der Teilnehmer an der Finalverkostung stellten. Die fruchtbetont-aromatische Note war beispielsweise durch den Wiesthalen von Rainer Christ vertreten. Wer hingegen pfeffrige Pikanz und kernige Struktur bevorzugt, wird diese in der Nussberger Ulm des Weingutes Wieninger vorfinden. Kraftvoll und dicht rollte auch die untadelige, beintrockene Ried Preussen vom Roten Haus über den Gaumen, die von 2021 auch mit ungewohnt straffer Säure versehen ist. 

Ebenbürtiges Quartett an der Spitze

An der Spitze der aktuellen Verkostung findet sich ein Quartett von äußerst unterschiedlichen Weinen, je zwei vom Maurerberg und Nussberg und alle aus dem denkwürdigen Weinjahr 2021, von denen eigentlich jeder den Sieg verdient hätte. Der Langteufel von Mayer am Pfarrplatz aus der vielleicht besten Lage auf dem Nussbergbrillierte schon in der Nase mit überschwänglicher gelbfruchtiger Aromavielfalt, gepaart mit jenen kreidigen Untertönen, die unverkennbar auf das Terroir dieser kalkreichen Riede hinweisen. Am Gaumen wird er dann überraschend temperamentvoll, womit der stattliche Körper perfekt eingebunden ist. 

Aus dem Herzstück des Nussberges, und zwar dem legendären Rosengartel, stammt der fulminante Wiener Gemischte Satz vom Weingut Wieninger, dessen wunderbar nuanciertes Bukett tatsächlich ein wenig an Rosenblüten erinnert; am Gaumen präsentiert sich ein zwar kraftvolles, aber stets der Feinheit und Eleganz verpflichtetes Gewächs mit Riesling-artiger Säurestruktur, dessen Potenzial noch kaum überschaubar ist.

Mayer am Pfarrplatz, Wieninger & Edlmoser

Vom Maurer Edelweingut Edlmoser kommt das Spitzenduo, das nahezu die gleiche, sehr hohe Wertung erhielt, aber doch recht verschieden beschaffen ist, wenn man vom ebenso dichten wie feingliedrig-rassigen Stil des Hauses absieht, der sämtliche Edlmoser-Weine auszeichnet. Der Duft nach Blütenhonig und Limetten eilt dem präzise strukturierten, vielschichtigen Geschmacksbild der Riede Himmel voraus und charakterisiert die unverwechselbare Erscheinung dieser hoch gelegenen und auf drei Seiten vom Wienerwald umgebenen Maurer Spitzenlage. 

Die Riede Sätzen, die zu Recht als Paradelage des Maurerberges gilt, liegt etwas tiefer und erbringt demgemäß frühere Reife. Ihre Weine sind sehr kraftvoll und mit cremigem Fruchtschmelz ausgestattet, wie der 2021er trefflich bewies. Der Gemischte Satz, der ohne die für den exzellenten Riesling verwendete Zusatzbezeichnung Kalkstein auskommen muss, profitiert aber ebenso von der aus Dolomit-Kalk im Unterboden und Muschelkalk-Verwitterungsschichten an der Oberfläche bestehenden Bodenstruktur. Diese führt wohl im Verein mit rechtzeitiger Lese und erhöhtem Riesling-Anteil auch zu dem Reigen von Fruchtaromen und jener Finesse, die den mit immer noch animierender Säure ausgestatteten aktuellen Siegerwein charakterisiert. 

 

Topliste Wiener Gemischter Satz

18,0 Weingut Edlmoser, Wien 2021 Wiener Gemischter Satz Ried Sätzen-Maurerberg
17,9 Weingut Edlmoser, Wien 2021 Wiener Gemischter Satz Ried Himmel-Maurerberg 1ÖTW
17,7 Weingut Mayer am Pfarrplatz, Wien 2021 Wiener Gemischter Satz Ried Langteufel- Nussberg 1ÖTW
17,7 Weingut Wieninger, Wien 2021 Wiener Gemischter Satz Ried Rosengartel-Nussberg 1ÖTW
17,4 Weingut Fuhrgassl-Huber, Wien 2022 Wiener Gemischter Satz „68 Neustift am Walde“ Ried Neuberg
17,2 Weingut Rotes Haus, Wien Wiener Gemischter Satz Ried Preussen - Nussberg
17,1 Weingut Rotes Haus, Wien 2022 Wiener Gemischter Satz Nussberg
17,0 Weingut Edlmoser, Wien 2022 Wiener Gemischter Satz Ried Himmel-Maurerberg 1ÖTW
17,0 Weingut Fuhrgassl-Huber, Wien 2022 Wiener Gemischter Satz Ried Neuberg-Salmannsdorf
16,9 Weingut Wieninger, Wien 2021 Wiener Gemischter Satz Ried Ulm-Nussberg 1ÖTW            
16,7 Weingut Fuhrgassl-Huber, Wien 2021 Wiener Gemischter Satz Ried Gollin
16,6 Weingut Christ, Wien 2021 Wiener Gemischter Satz Ried Wiesthalen    
16,6 Franz- Michael Mayer, Wien 2022 Wiener Gemischter Satz Nussberg „Spätfüllung“
16,5 Weingärtnerei Uhler, Wien 2022 Wiener Gemischter Satz Ried Mitterberg    
16,5 Weingut Wieninger, Wien 2022 Wiener Gemischter Satz Bisamberg-Wien   
16,4 Franz- Michael Mayer, Wien 2022 Wiener Gemischter Satz Nussberg   
16,4 Weingärtnerei Uhler, Wien 2022 Wiener Gemischter Satz Ried Obere Schloss-Neuberg
16,3 Weingut Kroiss, Wien 2022 Wiener Gemischter Satz
16,2 Weingut Edlmoser, Wien 2022 Wiener Gemischter Satz Maurerberg          
16,2 Weingut Mayer am Pfarrplatz, Wien 2022 Wiener Gemischter Satz Ried Weisleiten Exklusiv-Abfüllung „Zum Schwarzen Kameel“
16,2 Weingärtnerei Uhler, Wien 2022 Wiener Gemischter Satz Ried Reisenberg    

 

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Michael Edlmoser © Weingut Edlmoser
Gerhard Lobner © Raimo Rumpler
Winzerdoyen Fritz Wieninger betreibt die Weingüter Wieninger und Hajszan-Neumann. © Weingut Hajszan Neumann
Thomas Huber vom Weingut Fuhrgassl Huber im Weingarten. © Florence Stoiber
Rainer Christ, Spitzenwinzer und Obmann von WienWein. © Weingut Christ
Franz-Michael Mayer im Weingarten. © Weingut Franz-Michael Mayer
(v.l.) Andi Kroiss, Erika Kroiss, Julia Kroiss, Roland Kroiss © Steve Haider
Ried Himmel © Robert Herbst
Ried Rosengartel, Nussberg © Herbert Lehmann