Vinaria: Was zeichnet Ihren Siegerwein, 2017er Sauvignon Blanc Privat „FR“, besonders aus?

Johannes Gross: Damit angefangen hat mein Vater mit einer „Privatfüllung“ des Jahrganges 1997. Sein Ziel war es, die klassische Auslese ohne Botrytis, die großen Weine unserer Vorfahren, in die Moderne zu führen. Auslesen waren Ende der 1990er-Jahre nicht sonderlich schick, die Größe und das Entwicklungspotenzial dieser Weine waren jedoch immer unbestritten. Die Grundlage für unseren „Privat“ sind Beeren oder Traubenteile, die einer klassischen Auslese entsprechen. Durch das Rosinieren werden die Inhaltsstoffe ganz ohne Botrytis und deren aromatischen Einfluss konzentriert. Das erklärt die Dichte und aromatische Intensität dieser Weine. Daran hat sich im Lauf der Zeit nichts geändert.

Vinaria: Für diesen Wein wenden Sie ein eigenes Pressverfahren an?

Johannes Gross: Als ich das erste Mal eine Muskatsylvaner Auslese von uns verkosten durfte, einen großen Wein aus dem großen Jahrgang 1983, wurde mir klar, wie ich diesen Wein interpretieren möchte. Ich musste nur ein paar Details im Presshaus und Keller verändern. Einer der entscheidendsten Schritte war die Änderung im Pressverfahren. Wir haben uns Anfang der 2010er-Jahre eine Korbpresse angeschafft, die einen sehr klaren und frisch schmeckenden Saft aus diesen Beeren liefert. Die Gärung verläuft sehr langsam und kann sich über Monate hinziehen. In dieser Phase wird nicht eingegriffen, und meist behält der Wein eine leichte natürliche Restsüße.

Vinaria: Die Mengen sind aber sehr rar, oder?

Johannes Gross: Wir trinken diesen Wein an Festtagen, bevorzugt ältere Jahrgänge. Wird uns eine Erntemenge geschenkt, die wir nicht allein zu trinken vermögen, verlässt die eine oder andere Flasche unseren Keller.

Vinaria: Warum geben Sie diesen Wein und ebenso den Ried Nussberg so spät in den Verkauf?

Johannes Gross: Wir möchten mit diesen Weinen die handwerkliche Tradition unserer Region aufrechterhalten und auf industrialisierte Produktionstechniken verzichten. Dazu braucht es Zeit. Von den Jahrgängen 2015 bis 2018 haben wir jeweils nur die Hälfte der vorhandenen Menge im üblichen Rhythmus vermarktet. Jetzt bringen wir die zweite Hälfte mit der Zusatzbezeichnung „FR“ in den Verkauf; FR steht für Fassreserve. Diese Weine haben dann bis zu 54 Monate in unseren Fässern und Edelstahltanks verbracht. Mit dem Erscheinen des Jahrgangs 2019 im September 2023 werden wir diese Übergangsphase abgeschlossen haben. Darauf freuen wir uns schon sehr.

Vinaria: Wir haben einen Stilwandel bei Ihren Sauvignons festgestellt. Was machen Sie jetzt anders?

Johannes Gross: Das ist schwer zu beantworten. Genau genommen verändern und entwickeln wir uns andauernd. Die größten Entwicklungen sehen wir derzeit in den Weingärten. So wie wir Weinbau erleben, greifen Weingarten und Keller wie die Rädchen eines filigranen Uhrwerkes ineinander. Womit wir uns derzeit besonders beschäftigen? Wir minimieren die Auswirkungen der schweren Traktoren auf den Boden, indem wir Roboter einsetzen, die nur ein Zehntel wiegen. Wir verfolgen auch ganz bewusst,  wie sich der Wuchs der Rebe und die Entwicklung der Trauben verändern, wenn man nicht wipfelt, sondern wickelt. Im Presshaus achten wir sehr auf ein dem Weinstil angepasstes Verhältnis von Maischestandzeit und Extraktion, die wir über das Presssystem bzw. die Pressdauer steuern. Und im Keller beschäftigen wir uns hauptsächlich damit, wie man Platz für bis zu vier Jahrgänge schafft.

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